Der Baumretter

Die Robinie sieht schlapp aus. Dort, wo an den Zweigen noch Blätter wachsen, hängen diese träge nach unten. Andere Äste sind gänzlich kahl. „Es ist einfach zu trocken“, sagt Philipp Müller und schaut sich auf dem Weißiger Spielplatz um. Vor wenigen Minuten hat es geregnet, aber kaum der Rede wert. Müller greift zur Wasserflasche und schreitet zur Tat.
Am Fuß der halb vertrockneten Robinie hängt ein dunkelgrüner Kunststoffbeutel. „Das ist ein Wassersack“, erklärt Philipp Müller, rüttelt an dem Behältnis herum und setzt die Flasche schließlich an die Öffnung, die unter der Sackoberkante gähnt. Es gluckert. Der Wassersack besteht aus demselben Material wie Lkw-Planen und kann 55 Liter fassen. „Eine komplette Füllung reicht, um einen Baum fünf bis sieben Tage zu wässern“, sagt Müller. Doch schon kleinere Mengen helfen derzeit, den Durst der Gewächse zu lindern. Das Wasser tröpfelt ganz allmählich aus den Nähten an der Unterkante des Sackes und dringt ins Erdreich ein. Das sei sogar deutlich effektiver, als heftiges Gießen auf Ruck, erklärt der 30-Jährige. „Wenn man bei der Trockenheit heftig gießt, läuft das meiste Wasser nur an den Wurzeln vorbei. Sickert es aber ganz allmählich ein, kann der Boden es besser speichern und die Wurzeln können es besser aufnehmen.“
Und noch einen Vorteil hat der Sack. Jeder kann und soll mitmachen. Philipp Müller ruft alle Freitaler auf, die Wassersäcke zu befüllen. „Es helfen schon kleine Mengen. Wer auf den Spielplatz kommt, kann eine Wasserfalsche mitbringen und dem Baum spendieren.“ Wenn auch nur drei Passanten pro Tag jeweils einen Liter hineinfüllen, bekommt der Baum gut drei Liter Wasser ab – mehr, als in den vergangenen Tagen vom Himmel gefallen ist.
Philipp Müller ist Baumdienstleister und betreibt ein Unternehmen rund um das Setzen, Pflegen und Fällen von Bäumen. Vor allem mit „Problembäumen“ wird sein Unternehmen beauftragt. Müller pflegt und beseitigt Bäume auf engsten Raum, also dort, wo man mit großer Technik nicht hinkommt. Als Baumdienstleister kennt er natürlich auch die Methode mit den Wassersäcken. Freitals Bäumen zu helfen, kam ihm in den Sinn, als Stadtrat Alexander Frenzel (Freie Wähler) kürzlich dazu aufrief, die Bäume zu gießen. Vor allem geht es um frisch gesetzte Exemplare. Ihre Wurzeln reichen noch nicht zu tief, sodass sie in höherem Maße als alte Bäume auf Regen angewiesen sind.
Wie sehr der fehlt, davon kann Stefanie Wieland berichten. Sie arbeitet im Freitaler Grünflächenamt und kann derzeit nur verzweifelt mitansehen, wie die Bäume, Sträucher und Stauden in den Grünanlagen schlapp machen. Dabei gibt es einen Gießplan, der von einem Landschaftspflegeunternehmen jede Woche abgearbeitet wird. „Es dauert fünf volle Arbeitstage, all die jungen Bäume, Sträucher, die Kästen, Blumenampeln und Pflanzkübel zu wässern“, berichtet Wieland. Zusätzlich hilft sogar die Feuerwehr aus und kümmert sich um die Bäume an der Dresdner Straße. Die Kameraden sollen auch nächste Woche wieder im Einsatz sein. In der Situation kommt die Idee mit den Wassersäcken gerade recht.
Philipp Müller hat nun erst mal 20 Stück geordert und spendiert sie der Stadt. Die Kunststoffbeutel sollen an den neu angepflanzten Bäumen im Mehrgenerationenpark, am Edgar-Rudolph-Weg, am Dorfplatz in Niederhäslich, am Storchenbrunnen und der Burgker Straße angebraucht werden. Vor allem geht es auch um die Linden, Wildäpfel und Buchen, die im Rahmen der Aktion „100 Bäume für eine 100-Jährige“ gesetzt wurden. Das Umweltzentrum hatte dazu aufgerufen, bis zum hundertjährigen Stadtjubiläum 2021 insgesamt 100 Bäume zu pflanzen. Mehr als 30 Firmen und Privatleute haben bereits gespendet und die Bäume eingebuddelt. Damit sie in zwei Jahren auch noch gedeihen, sind nun alle Freitaler gefragt. Schon eine Wasserflasche voll wäre ein Anfang.