Von Bernd Goldammer
Dr. Norbert Feller musste seinen Gast am Mittwochabend im Museum der Westlausitz nicht besonders vorstellen. Prof. Dr. Dietrich Mania ist bestens bekannt. Seine Forschungsergebnisse erregten internationales Aufsehen.
Der Jenaer Professor ist seit langem einem geheimnisvollen menschlichen Vorfahren auf der Spur: dem homo erectus. Das von ihm geleitete Team legte in Bilzingsleben in jahrelanger Arbeit einen kompletten Siedlungsplatz frei. Die Faszination urzeitlicher Ausgangspunkte der Menschwerdung begann für Mania bereits 1969. Damals war er in einen kleinen Steinbruch gestiegen, der als Müllhalde genutzt wurde. Er suchte nach Fossilien und fand Feuersteinabschläge von Menschenhand. Die sollte ihn bis zum heutigen Tag nicht mehr los lassen. Mania war auf einen Lagerplatz aus urmenschlichen Tagen gestoßen. Vor etwa 400 000 Jahren lebten diese Urmenschen im damals tropisch warmen Klima Thüringens. Wie kamen sie hierher? Wie ernährten sie sich? Welche Fähigkeiten sicherte ihnen das Überleben in den Zeiten des klimatischen Wandels? Fragen über Fragen für den jungen Forscher.
Schritt für Schritt fügte sich Nachweis an Nachweis. Vieles wurde vom Kopf auf die Füße gestellt. Auffassungen mussten revidiert werden, besonders, was die wissenschaftliche Position zur Kultur der Eiszeitmenschen betraf.
Höher entwickelt
als bisher angenommen
„Unsere Forschungen gaben zunächst wichtige Anhaltspunkte dafür, dass unsere eiszeitlichen Vorfahren enorme kulturelle Voraussetzungen erfüllten und auch in Weltregionen überlebten, die unwirtlicher waren als in jener afrikanischen Region, die als Wiege der Menschheit gilt.“ Und: „Sie müssen ein in sich abgerundetes Weltbild gehabt haben“, machte Mania deutlich. Werkzeuge und Gebrauchsgegenstände, die in Bilzingsleben gefunden wurden, lassen diesen Schluss zu. Messer stellten die Urmenschen aus Feuerstein her. Mania und seine Helfer fanden Schaber mit perfekter Griffpartie, die aus den Knochen von Elefanten gefertigt waren. Faustkeile und beilartige Geräte sind Anlass, an bis dato gültigen wissenschaftlichen Deutungen zu zweifeln. „Unsere Untersuchungsergebnisse lassen Urmenschen in einem wesentlich höher entwickelten kulturellen Zusammenhang erscheinen. Ihre Behausungen, die Art, wie sie ihre Nahrung gewannen, und vor allem wie sie die aufbereitet haben, belegen das eindeutig.“ Tierbeobachtungen ermöglichten ihnen Jagdstrategien. Um die zu koordinieren ist eine entwickelte Sprache nötig. „Wir haben etwa 2,50 m lange Wurfspeere aus Fichtenholz gefunden, die sich durch hervorragende Wurfeigenschaften auszeichneten.“ Mania hat versucht, einen solchen Speer mit einem heutigen Taschenmesser nachzuschnitzen und brauchte dafür immer noch etwa drei Stunden. Für MDR-Fernsehaufnahmen hatte er die Lebensformen der Urmenschen nachgestaltet.
Fazit: Die Urmenschen vor 400 000 Jahren hatten wesentlich höhere geistige Fähigkeiten als in der Lehrmeinung, besonders im englischen Sprachraum, angenommen wird. Diese Fähigkeit zur kulturellen Adaption war die Grundlage zur Besiedelung gemäßigter Klimazonen in Europa.