Von Thomas Christmann
Er gehört zu den wenigen, die noch am Bahnhalt in Mittelherwigsdorf ein- und aussteigen. Thomas Pilz wohnt gleich nebenan, in der Kulturfabrik. Zu den dortigen Kinovorstellungen reist der ein oder andere Gast mit dem Zug an. Und der 48-Jährige fährt mindestens einmal die Woche damit. „Das ist viel entspannter, als an dem Wahnsinn Autobahn teilzunehmen“, sagt der freiberufliche Kulturmanager.
Als Gemeinderat (Offene Liste) und Sprecher des Kreisverbandes der Bündnisgrünen setzt sich Pilz schon seit Jahren für einen besseren öffentlichen Nahverkehr und damit das Fortbestehen des Bahnhaltes in Mittelherwigsdorf ein. Der bleibt nun vorerst auch. Darauf haben sich die Mitglieder des Zweckverbandes Verkehrsbund Oberlausitz-Niederschlesien (Zvon) in ihrer Verbandsversammlung diese Woche verständigt. Allerdings gilt der Erhalt nur für die nächsten zwei Jahre. In der Zeit prüft ein Student im Rahmen einer Masterarbeit, wie sinnvoll die betroffenen Stationen auf der Bahnstrecke von Zittau nach Dresden sind. Dazu sollen auch die Gemeinden eingebunden werden und konkrete Vorschläge unterbreiten, wie die Bahnhalte eine Zukunft haben könnten. Sie besser ausschildern, die Wege dahin beleuchten, oder Fahrradstellplätze anbieten, zählen beispielsweise dazu. Aber auch Alternativen sollen in der Arbeit eine Rolle spielen. Bis 2016 sollte sich die Nachfrage in jedem Fall verbessern, sonst droht die Stilllegung. Es müsse sich rechnen, sagt der stellvertretende Zvon-Geschäftsführer Christoph Mehnert. „Die gegenwärtigen Nutzerzahlen im einstelligen Bereich reichen nicht aus.“
Mittelherwigsdorfs Bürgermeister Markus Hallmann (Freier Wählerverein) begrüßt die Entscheidung. Die vielen Gespräche und Bitten von Einwohnern zum Thema seien ein deutliches Indiz dafür, dass der Bahnhof nach wie vor gern genutzt werde. „Trotz zugegeben nicht idealer Lage“, sagt er. Die Gemeinde mache sich daher weiterhin für den Erhalt stark und zeige Gesprächsbereitschaft, um eine Lösung zu finden. Natürlich müsse die Nachfrage steigen, sagt der Bürgermeister. Klar ist nämlich auch, dass die Angebote im öffentlichen Nahverkehr in den letzten 20 Jahren zurückgegangen sind. Weitere Rückschritte seien nicht das Ziel, so Hallmann. Aber es brauche dazu kreativer Lösungen, um ein ordentliches und finanzierbares Angebot vorhalten zu können. Als Beispiel nennt er den Schulbusverkehr, den nun teils andere Fahrgäste nutzen können. Mit der Entscheidung vom Zvon ist auch vorerst der Haltepunkt Oberdorf in Oderwitz gerettet. Bürgermeisterin Adelheid Engel (parteilos) ist froh darüber. Um eine gute Infrastruktur bereitzuhalten, sei der Erhalt wichtig, sagt sie. Ein alternatives Konzept müsse schon sehr gut sein, um den Bahnhalt zu schließen. Die Gemeinde argumentiert mit der zu weiten Entfernung zwischen Oberoderwitz und Eibau. Fällt der Haltepunkt weg, liegen zwischen den verbleibenden Stationen knapp sechs Kilometer. Im Fall von Mittelherwigsdorf sind es sogar zehn, vom Zittauer Hauptbahnhof bis nach Niederoderwitz. Doch für den Zvon spielt das keine Rolle. Eine Analyse ergab, dass in Mittelherwigsdorf zwischen drei und sechs Fahrgäste am Tag ein- beziehungsweise aussteigen. In Oberoderwitz-Oberdorf lag der Schnitt bei lediglich zwei Fahrgästen. Ursprünglich wollten die Zvon-Vertreter schon Mitte 2013 über die Zukunft der Bahnhalte entscheiden. Doch der Bürgermeisterprotest, eine Unterschriftenaktion und zuletzt das Einschalten des CDU-Landtagsabgeordneten Stephan Meyer ließen sie aufhorchen. „Wir achten das Engagement“, sagt Christoph Mehnert. Wenn die Leute so engagiert seien, bekommen sie es vielleicht auch hin, mit dem Zug zu fahren – und die Diskussion würde sich nicht mehr stellen.
Für Pilz ist klar: Der Zvon steckt in wirtschaftlichen Zwängen, für die er nichts kann. Aber wenn nur noch das Geld eine Rolle spiele, dann dünne der ländliche Raum weiter aus, sagt der 48-Jährige. Und wenn immer wieder negativ über die Bahnhalte gesprochen werde, würden auch weniger einsteigen. Ein Teufelskreis. „Wir sollten viel mehr dafür werben“, sagt er. Ältere, sozial Schwache, Menschen ohne Auto – sie brauchen solche Angebote. Deshalb müsse für den Erhalt gekämpft werden, auch wenn es einen langen Atem brauche.