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Neugersdorf ist die Brummis auf Dauer los

Manche Erinnerung ist noch ganz frisch und gehört doch schon der Vergangenheit an. So stand Neugersdorf nach der Wende kurz vor einem Verkehrskollaps. Bis zu 200000Lkw passierten damals die Grenzstadt....

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Von Cornelia Mai

Manche Erinnerung ist noch ganz frisch und gehört doch schon der Vergangenheit an. So stand Neugersdorf nach der Wende kurz vor einem Verkehrskollaps. Bis zu 200000Lkw passierten damals die Grenzstadt. Manche warteten tagelang auf die Abfertigung. Thomas Bernhard war von 1989 bis 1999 stellvertretender Bürgermeister und als solcher für den Grenzverkehr verantwortlich. Das größte Problem seien damals die vielen Kühlfahrzeuge gewesen, die ihre Motoren laufen lassen mussten. Überhaupt sei die Stadt Anfang der 90er Jahre regelrecht vom Fahrzeugstrom überrollt worden. Niemand habe damals mit einer solchen Explosion des Transitverkehrs gerechnet. Vor allem Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs hätten die Grenze in beide Richtungen passiert. Als der Transit-Übergang an der Hauptstraße, der 1978 eröffnet worden war, dann auch noch für den Pkw-Verkehr zugelassen wurde, sei das Chaos perfekt gewesen. „Es war eine bewegte Zeit“, sagt Bernhard, die er selbst immer aus der ersten Reihe mit verfolgt habe. Die Fahrzeuge standen zum Teil in Zweierreihen durch die gesamte Stadt, manchmal bis weit hinter Ebersbach.

Von der politischen Wende selbst begeistert und überzeugt, etwas bewegen zu können, hätten er und andere Verantwortliche der Stadt damals schnell politischen Druck aufgebaut: „Wir haben uns Partner bei Polizei, Grenzbehörden und auf tschechischer Seite gesucht und waren uns schnell einig“, erzählt der heute 50-Jährige. Gemeinsam mit dem Baudezernenten von Seifhennersdorf habe er dann einen Plan für eine Ortsumfahrung entwickelt. Damals seien sie belächelt worden: „Leute aus den alten Bundesländern warnten uns, unter zehn Jahren würde sich da gar nichts bewegen, sagten sie.“ Aber er und seine Mitstreiter seien nach Dresden zum Ministerium gefahren und hätten sehr nachdrücklich ihren Standpunkt dargelegt.

Neugersdorf befindet sich auf der Wirtschaftsachse Bautzen–Liberec, auch das mag bei den politisch Verantwortlichen als Argument gefruchtet haben, sagt Thomas Bernhard. Was ihn selbst ein wenig erstaunt: Ihre Pläne seien im großen Umfang umgesetzt worden: „Heute wäre so etwas gar nicht mehr möglich“, sagt er. Trotzdem haben die Skeptiker letztlich Recht behalten. Die Planungen für den ersten Bauabschnitt der Umgehungsstraße gingen zwar noch recht zügig voran. Im August 1997 hatten die Bauarbeiten begonnen. Doch der Anschluss des zweiten Bauabschnittes verzögerte sich. Und so konnte schließlich erst im Juli 2001 die provisorische Abfertigung am neuen Grenzübergang Neugersdorf-Rumburk beginnen.

Seit dieser Zeit ist der Transitverkehr längst nicht immer reibungslos durch die Region gerollt. Denn manchmal dient Neugersdorf für die Brummis noch als Umleitungsstrecke. Doch in normalen Zeiten rollt der Verkehr heute dank des damaligen Drucks ruhig an der Stadt vorbei. Auch Pkw-Fahrern bleibt Stress erspart. Sie können die Grenze entspannt passieren: Am alten oder neuen Grenzübergang.