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Neulehrer- Post aus Hamburg

Historie. Vor 60 Jahren begann auch ein neues pädagogisches Zeitalter. Ein Beteiligter von hier erinnert sich in der SZ.

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Von Hanskarl Pfennig

Für viele von uns war die erste Bewährung vor der Klasse ein einschneidendes Erlebnis, in manchen Fällen auch vor d e n Klassen, wenn dort oder da Fachunterricht erforderlich war. Und wer als Neulehrer „Ja“ gesagt hatte, musste da durch. Wir in Kamenz hatten da manchen Bekannten an der Seite, den man schon aus Kinder- und Jugendtagen kannte und von dem man wusste, dass er sich genauso abrackerte wie man selbst. Viele Erinnerungen an jene Anfangsjahre 1946/47 haften noch in uns, und manche von ihnen nehmen noch heute einen weiten Weg. Nicht selten werden sie auch angeregt durch einzelne Veröffentlichungen in der SZ. So staunte ich nicht wenig, als ich vor einiger Zeit Post aus Hamburg bekam, zu der eine ehemalige Kamenzer Lehrerin sich aufgerafft hatte. Weil ihr so ums Herz war und weil sie Artikel in unserer Zeitung besonders berührt hatten, darunter auch der von meinem Rausschmiss aus Schulrat Lassigs Amtszimmer 1946. Aber auch die Traueranzeige ihrer damaligen hiesigen Freundin, wegen deren Vermittlung sie nach dem Zweiten Weltkrieg hier in Kamenz landete und auch gleich in der Schule am Schulplatz Anstellung fand, eben bei besagtem Schulrat.

Die Lehrerin gern besucht

Die damalige junge Lehrerin war Christa Conrad, die eines Tages aus politischen Gründen „nach dem Westen ging“, wie man damals sagte. Sie war aus Lübeck hierher gekommen, von wo sie Charlotte Wobser (die spätere Frau Rank) „geholt hatte“. Beide waren als junge Mädchen einmal im Pflichtjahr des weiblichen Arbeitsdienstes in Pommern gewesen und hatten sich dort angefreundet. Nach Lübeck gelangte Fräulein Conrad mit ihren Eltern auf der Flucht vor den anrückenden sowjetischen Truppen, und von dort dauerte ihre Reise bis nach Kamenz damals mehrere Tage. Wie sie von Holsteinischen Bauern, auf die umliegenden Dörfer verteilt, behandelt wurden, beschreibt sie so, dass sie dort „als billiger Ersatz für die befreiten polnischen Fremdarbeiter für Kost und Logis (zum Teil auf Heuböden und Abstellkammern) arbeiten mussten“. In Kamenz unterrichtete Fräulein Conrad unter Herrn Fritsche. Hospitiert hat sie bei Horst Kluge, und W. Zimmer, Ernst Hentschel und Rolf Petasch waren zwei ihrer Schüler, auch Prof. Mrozeck, der leider schon verstorben ist. Aber auch Gottfried Haase gehört in diese Klasse. Er ist heute schon seit 52 Jahren ihr Ehemann. Er stammt aus der Bäckerei Haase vom Klostertor und spielte ein Blechblasinstrument, das die Anwohner vom Anger manchen Abend zu hören bekamen, wenn der Schüler wieder einmal seine Lehrerin besucht hatte.