Neustadt brennt erst nach Kriegsende

Ulrike Hentzschel, die Leiterin des Stadtmuseums Neustadt würde viel lieber ganz viele Menschen in ihrem Museum begrüßen, Vorträge halten, Schulklassen durch die Ausstellungsräume führen. All das geht nicht. Das Museum hat aber wenigstens geöffnet, auch wenn sich Besucher vorher die Hygiene- und Abstandsregeln genau durchlesen sollten. Konkret heißt das, dass nur fünf Personen den Ausstellungsraum mit der neuen Schau betreten dürfen. Da ein Rundgang sicherlich länger dauert, rät Ulrike Hentzschel, sich vorher telefonisch anzumelden. "Wir können einen Termin vereinbaren. Das verhindert Warteschlangen. Die Besucher müssten dann lange draußen stehen, weil innen ja auch kein Platz ist", sagt sie.
Und wer nun einmal das Museum betreten hat, dem werden mit der neuen Ausstellung auch ganz neue Einblicke in ein Stück Neustädter Stadtgeschichte gewährt, was es so bislang noch nicht gegeben hat. Die Sonderschau steht unter dem Motto "Das Kriegsende in Neustadt in Sachsen". Es ist eine Ausstellung zu den Ereignissen der letzten Kriegstage und Nachkriegstage im Mai 1945. Schon seit Längerem werden dazu im Museum Gegenstände und auch Dokumente gesammelt. Ulrike Hentzschel hat alles aufbereitet und kann den Besuchern somit ein recht umfassendes Bild von den Ereignissen geben.

Die Stadt Neustadt kam relativ unbeschadet durch die Wirren des Krieges. Es gab keine größeren Zerstörungen. In Neustadt ist der Krieg praktisch mit der Kapitulation ausgebrochen. Am Abend des 8. Mai 1945 zogen polnische Soldaten in die Stadt. Wahrscheinlich lagerten da auf der Götzinger Höhe noch versprengte Wehrmachtssoldaten, die sich bis zuletzt gegen die Kapitulation wehren wollten. Diese hatten dann mit ihren Flakgeschützen in Richtung Markt gezielt. Den Überlieferungen zufolge ist es aber zu keinen größeren Gefechtshandlungen gekommen. Vielmehr durchsuchten die polnischen Soldaten die Häuser nach Frauen und Mädchen, die sie vergewaltigten. Sie plünderten Häuser und Geschäfte. Am Abend des 8. Mai begann dann ein regelrechter Terror in der Stadt. Betrunken zündeten sie Häuser an und hinderten die Einwohner am Löschen. Neustadt brannte lichterloh.
Anhand einiger Bilder ist das im Museum auch zu sehen. Von einigen Gebäuden am Markt blieben nur noch die Mauern übrig. So wurden praktisch mit Kriegsende Teile von Neustadt in Schutt und Asche gelegt. Erst am 12. Mai durften die Einwohner dann löschen. Ulrike Hentzschel zeigt anhand einer Karte, wo die größten Brandherde in der Stadt waren. "Insgesamt 68 Häuser sollen abgebrannt sein. Fast 600 Menschen waren so obdachlos geworden und das, wo der Krieg beendet war", sagt sie. Die Ausstellung im Museum beantwortet auch die Frage nach dem Warum? Augenzeugenberichte von berühmten Neustädtern wie Molkereibesitzer August Katzer und Walter Mühlhaus, dem Vorsitzenden des Gebirgsvereins Neustadt, unterstreichen das.
Kochgeschirr aus Flugzeugmetall
Neben einer umfangreichen Datensammlung kann das Stadtmuseum verschiedene Gegenstände aus der Nachkriegszeit zeigen. Diese stammen zum Teil von Neustädtern. Zum Teil sind es Leihgaben anderer Museen, wie den Städtischen Sammlungen Sebnitz, Stadtmuseum Pirna, Stadtmuseum Löbau und vom Schlesisch – Oberlausitzer Museumsverbund. "Viele der Dinge, wie zum Beispiel die Kleidungsstücke zeigen, dass die Menschen erfinderisch waren und das Leben wieder genießen wollten, so eingeschränkt sie auch waren", sagt Ulrike Hentzschel.
Eines der markantesten Stücke - ein cremefarbenes Kleid, genäht aus Fallschirmseide, mit bunten Blumen bestickt. Das Kleid wurde 1947 zum Tanzstundenball getragen. Schwarze Igelitschuhe mit passendem Mantel werden gezeigt und ein schwarzes Damenkostüm. Aus welchem Stoff dieses genäht wurde, konnte bislang aber nicht herausgefunden werden.

Neben Bekleidung wird auch Kochgeschirr gezeigt. Das wiederum wurde aus dem Metall eines abgestürzten Flugzeuges gefertigt. Und bei all dem Leid sollte man gar nicht denken, dass die Leute wieder Freude am Backen hatten. Denn auch ein Waffeleisen, ebenfalls aus Flugzeugmetall hergestellt, gehört mit zu den Ausstellungsstücken. Und es gibt noch einige andere Besonderheiten, die sich die Besucher sicherlich selbst anschauen können. Dann wird bestimmt das Rätsel nach dem Inhalt eines amerikanischen Carepakets gelöst. Und man weiß, was der Polenzer Hühnerbesitzer Paul Böhm für Eier abzugeben hatte und warum in einem Erinnerungsalbum eines Wehrmachtssoldaten russische Flugblätter gefunden wurden. Auf jeden Fall ist das für alle Geschichtsinteressierten eine eindrucksvolle und vor allem informative Ausstellung über das Kriegsende in Neustadt. Geöffnet ist sie noch bis zum 2. August.

Öffnungszeiten: Stadtmuseum: Dienstag bis Donnerstag 9.30 bis 16 Uhr, Freitag: 9.30 Uhr bis 14 Uhr sowie Sonnabend, Sonn- und Feiertags von 13 bis 17 Uhr. Himmelfahrt ist das Museum geschlossen. Es wird darum gebeten, sich vor dem Besuch anzumelden, um lange Wartezeiten zu verhindern. Kontakt: Telefon: 03596 505506