Von Wulf Stibenz
Die 9 676 Nieskyer können sich glücklich schätzen. Während der Landkreis und andere Städte extreme Einsparungen wegen drohenden Bankrotts vornehmen, gibt es hier Eisstadion, Wachsmannhaus, Oberschulanbau, weitestgehend durchsanierte Kitas, passable Straßen, Sportplätze und vergleichsweise niedrige Steuern. Als Kämmerin Beate Hoffmann jetzt den Haushaltsplan für die Zukunft vorstellt, wirken die rund 900 000 Euro Finanzpolster im Sparstrumpf auch noch ansehnlich.



Doch der Eindruck täuscht. Finanziell geht es der Stadt gar nicht gut. „An den Zahlen ist nicht zu rütteln“, sagt Beate Hoffmann. Ein ungeplanter größerer Posten wäre schon nicht mehr zu finanzieren. Kredite, Schulden, höhere Steuern für alle wären die Folge. Denn eine Stadt wie Niesky hantiert mit Millionen – und hat viele Verpflichtungen jenseits der Vorstellungen von Privatleuten. Nur zum Vergleich: Der Oberschulanbau kostet über zwei Millionen, das Wachsmannhaus 1,6 Millionen und die Eisstadionsanierung, Eisstadion gut vier Millionen Euro. Was der angedachte Ausbau der Niederschlesischen Magistrale im Raum Niesky die Stadt kostet, ist offen – kann aber auch schnell über die 500 000 oder eine Millionen Euro springen.
Diesmal hat es Beate Hoffmann noch geschafft, einen Haushalt zur Abstimmung vorzulegen, der ohne massive Einschnitte auskommt und gesetzeskonform ist. Anfang Mai muss der Stadtrat den Plan absegnen, sonst ist alles zu spät. Auch Oberbürgermeister Wolfgang Rückert wirbt deshalb für das grüne Licht der Räte. „Es war schwierig, einen gesetzeskonformen Haushalt hinzubekommen. Kredite müssen bedient und wichtige Investitionen getätigt werden, auch wenn die Einnahmen schwinden. „Wir wollen vermeiden, ein Jahr ohne Haushalt auszukommen – wie der Landkreis“, so Wolfgang Rückert. Man müsse sich aber klar machen: „Noch schlimmer kann es nicht werden.“
Gibt es die Zustimmung für den Haushalt, würde Niesky nicht durch die Kommunalaufsicht fremdbestimmt und muss auch keine Schulden machen, die nachfolgende Generationen belasten. Jedoch muss sich Niesky schon jetzt die Frage gefallen lassen, ob die Stadt ein Luxusproblem hat. Dieser Ansicht ist Ratsmann Bernd Funke. Der langjährige Bürgervertreter stellt unpopuläre Thesen in den Raum, weil „die Lage seit 20 Jahren nicht mehr so schlimm war“. So bringt er den beschlossenen Umbau des Feuerwehrgerätehauses Stannewisch in die Diskussion ein. Die Entscheidung, Kosel und Stannewisch nicht zwangszuvereinigen, werde teuer bezahlt. Bernd Funke: Den Gerätehausbau könne man sich nicht leisten – auch nicht in der abgespeckten Version ohne Schulungsraum. Doch Stadtoberhaupt und Ratsleute wollen sich auf diese Diskussion nicht einlassen. Zu viel Ärger hat es im Vorfeld gegeben, als die Feuerwehr Stannewisch gedroht hat, hinzuschmeißen – ohne neuen Stützpunkt. Rückert beschwichtigt zudem, weil jetzt erst mal die Planung anläuft. Stadtrat Andreas Konschak betont, dass es bei solchen Entscheidungen um Menschenleben gehe. Rätin Christine Lorenz hat andere Luxusprojekte im Auge, wo sie lieber sparen würde – ohne das näher auszuführen. Stadtrat Norbert Polossek wirbt dafür, zu Entscheidungen zu stehen. Und Kollege Sandro Simmank ist für die Strategie der kleinen Schritte. Somit läuft die Planung für das Feuerwehrgerätehaus weiter.
Für Verwunderung sorgt auch Bernd Funkes Diskussionspunkt Eisstadion. Er selbst ist Förderer des Eissports und stellt trotzdem die Frage, wie das Geld für den Bau des Daches zusammenkommen soll – ohne per Kredit die Bürger auf lange Sicht zu belasten. Ende April, so OB Rückert, soll das Königstreffen von Politik und Machern vor Ort Klarheit bringen. Zurzeit muss Niesky ein Drittel der Summe aufbringen. Stehen die Fördermittel- und Sponsorengeldgeber zu ihrem Wort, würde ein Anteil von 300 000 Euro fließen, den sich die Stadt Niesky später wieder aus ihrer Tochterfirma, den Stadtwerken, zurückholt. Die Räte haben sich nun darauf geeinigt, die Runde mit Landrat, Gutachtern und Freistaat abzuwarten.
Ein weiterer Hinweis von Bernd Funke betrifft das Wachsmannhaus in Niesky, das fast fertig ist. Das Geld ist weitestgehend ausgegeben – die Restaufträge sind verteilt. Zwar ist auch aus finanztechnischer Sicht für Kämmerin Beate Hoffmann der Umstand ein Dorn im Auge, dass „es kein Konzept gibt, wie das Haus betrieben werden soll“. Kurzum, es gibt in absehbarer Zeit keine Einnahmen. Aber für Praktiker Bernd Funke lässt das nur den Schluss zu, dass der Stadtrat und die Verwaltung bei größeren Zusammenkünften sich eben dort treffen – und andere Objekte wie die Jahnhalle dafür verkaufen. Die Gespräche mit dem Landkreis laufen schon.
Ein letzter Hinweis von Bernd Funke, die Unternehmer der Stadt nicht mit höheren Gewerbesteuern zu bestrafen, darf zweifellos als edles Unterfangen angesehen werden. Zwar betont OB Rückert, dass die geplante Erhöhung von 390 auf 400 Punkte immer noch einen sachsenweit niedrigen Schnitt garantiere. Jedoch warnt Rückert davor, mit solchen sensiblen Themen zu hantieren: „2015 steht dann die Anpassung der Grundsteuer an, da trifft es viel mehr Leute.“