Von Frank Thümmler
Es hatte etwas von den Galliern um Asterix und Obelix, die aus ihrem Dorf einst nach Rom zogen, um ihre Forderungen durchzusetzen. Am Dienstag machten sich Nieskyer auf den Weg nach Berlin zum obersten Parlament des Staates, um dort wegen ihres jahrelangen Wunsches vorstellig zu werden. Das Eisstadion soll endlich saniert und überdacht werden. Die Zeit der warmen Worte soll vorbei sein.
Auf die Idee zu dieser Reise war einer der „Weisen“ der niederschlesischen Siedlung gekommen. Dietmar Pestel, ehemaliger Redakteur bei der Sächsischen Zeitung und Anhänger des Eislaufvereins ELV Niesky, hatte den regionalen CDU-Parlamentarier Michael Kretschmer angesprochen. Der lud daraufhin die Nieskyer zum Besuch des Bundestages ein. Und so saßen schließlich knapp 50 „Gallier“ im neuzeitlichen Reisebus gen Berlin – angeführt von Jörn Dünzel, Präsident des Eislaufvereins Niesky, und Holger Ludwig, dem Chef der Nieskyer Stadtwerke, die das Eisstadion betreiben. Junge und Alte, Frauen und Männer, Sponsoren und auch ein paar „Krieger“, also Eishockeyspieler, waren dabei, um in der Bundeshauptstadt einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Nur der Häuptling der Niederschlesischen Siedlung, Oberbürgermeister Wolfgang Rückert, fehlte – Termine, Termine …
Warme Worte im Bundestag
Natürlich hinkt der Vergleich mit den lustigen Animationsfilmen über die Abenteuer von Asterix und Obelix. Die starke Faust von Obelix war nicht gefragt. Gewalt sollte keine Rolle spielen. Auch kein Gelärm. So sagte es Jörn Dünzel schon auf der Hinreise an. Und der Hintergrund des Berlin-Besuchs ist durchaus ernst. Der Fortbestand des Eishockeys in Niesky ist unmittelbar mit dem der Spielstätte verbunden. Nach langer Zeit mit vielen Reden gibt es seit rund zwei Jahren eine Zusage über Fördermittel. Jörn Dünzel erklärte noch vor dem Reichstagsgebäude: „Der Teufel steckt jedoch im Detail. Konkret wie immer bei solchen Dingen wie den Finanzen. Wir erhoffen uns hier noch einmal Rückenwind. Es gibt einige Dinge bei der Ausstattung eines solchen Eisstadions, die nicht gefördert werden. Wir erhoffen uns Hinweise, ob man vielleicht andere Förderquellen, wie zum Beispiel Stiftungen, anzapfen kann. Und es geht uns darum, den Eigenanteil der Stadt zu verringern. Schließlich ist Niesky finanziell nicht auf Rosen gebettet.“
Vor der Gesprächsrunde mit den Politikern gab es im Reichstag erst einmal eine Lehrstunde, wie parlamentarische Demokratie funktioniert. Die Gäste aus der Provinz staunten nicht schlecht. Weniger über die klugen Reden als vielmehr über die Fraktionsdisziplin. Entweder klatschen alle einer Partei oder keiner. Entweder heben bei Abstimmungen alle die Hand oder keiner. Und die Handys: Auf der Besuchertribüne dürfen die nicht benutzt werden, dafür aber bei den Parlamentariern. Und das nicht zu wenig. Vor allem, wenn einer von einer anderen Partei redet und man nicht klatschen musste. „Die haben bestimmt Angst, dass das Handynetz zusammenbricht, wenn die Besucher auch noch mitmachen“, mutmaßte ein Nieskyer.
Dann endlich kam es zum Treffen mit jenen, von denen sich die Nieskyer Unterstützung erhoffen. Michael Kretschmer hatte den Ex-Turnweltmeister Eberhard Gienger mitgebracht, heute sportpolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion. ELV-Präsident Jörn Dünzel trug das Anliegen der Nieskyer vor und lobte Michael Kretschmer, der sehr dabei geholfen habe, die bisher zugesagten Fördermittel zu besorgen. Der Angesprochene bedankte sich für den Besuch und sagte zum Problem Eisstadion, dass vieles nur ein Kommunikationsproblem in Niesky sei: „Die Situation ist viel besser, als sie von den Nieskyern wahrgenommen wird.“ Die Drittelfinanzierung von Bund, Land und Kommune sei über das Kleine-Städte-Programm gesichert. Zumindest für Bund und Land, und auch, wenn sich die Bausumme noch etwas erhöhen sollte. Den Eigenanteil der Kommune könne man nur über Sponsoren verringern.
Landrat Bernd Lange (CDU) habe zugesagt, einen großen Geldgeber zu besorgen. Auch Sachsen-Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) steht laut Michael Kretschmar hinter dem Vorhaben. Er fordere aber, dass das Vorhaben nicht zum K. O. der Stadtwerke führen darf und die Bevölkerung nicht übermäßig belastet wird. Es bleiben noch regionale Sponsoren, die auch der Verein einwerben kann: „Eine kleine Finanzierungslücke ist noch offen. Die Sponsoren müssen wissen, dass die 5 000 Euro, die sie vielleicht dazugeben können, in Summe dazu führen, dass wir das letzte fehlende Geld zusammenbekommen.“ Stadtwerke-Chef Ludwig schilderte danach seine ganz praktischen Probleme mit dem Projekt.
Wegen seiner Größe müssen jetzt die planerischen Leistungen europaweit ausgeschrieben werden. Der Ausschreibungstext muss passen, damit es nicht doch noch Probleme mit den Fördermitteln gibt. „Es stimmt, uns stehen überall die Tore offen, auch bei den Fördermittelstellen. Das Förderprogramm ist aber nicht unbedingt für die Sanierung eines Eisstadions und den Neubau eines Daches gemacht. Da müssen wir genau hinschauen, dass wir in die Förderbedingungen passen“, erklärt er.
Eberhard Gienger machte schließlich klar, dass der Bund nur für den Spitzensport zuständig ist, aber nicht für Eishockey in Niesky. Da seien die Nieskyer beim Bauministerium mit dem Förderprogramm für kleine Städte besser aufgehoben. Anschließend sprach er warme Worte, die seine gar nicht rebellischen Gäste schon so oft zu hören bekamen: „Nur ihr Engagement hat sie so weit gebracht, wie sie heute sind. Lassen Sie nicht nach. Wenn man sein Ziel wirklich verfolgt, schafft man es auch.“ Eberhard Gienger riet, nach weiteren Sponsoren zu suchen, was die Nieskyer auch ohne diesen Tipp machen, und Geduld zu haben, die allerdings bald erschöpft ist. Schließlich schlug der Ex-Turner auf charmante Art verbale Saltos, erzählte Anekdoten aus seinem Sportlerleben und klopfte lustige Sprüche.
Endlich, nachdem Jörn Dünzel kleine Geschenke an Michael Kretschmer und Eberhard Gienger wie ELV-Schal und Anstecker verteilt hatte, sagte Michael Kretschmer doch noch den entscheidenden Satz zum Eisstadion: „Sie können sich darauf verlassen, wir werden das schaffen!“
Jörn Dünzel war letztlich mit dem Treffen in Berlin zufrieden: „Wir haben uns und unser Problem wieder in Erinnerung gebracht. Die Unterstützung, insbesondere von Michael Kretschmer, nützt uns sehr. Konkrete Zusagen waren heute nicht zu erwarten“, sagte der Präsident des Eislaufvereins Niesky. Die „Gallier“ fuhren fröhlich beschwingt in ihre Heimat zurück. Mit der Erkenntnis: Den einen Zaubertrank gibt es auch in Berlin nicht. Und so muss eben steter Tropfen den Stein höhlen.