Von Erich Feuerriegel
Während des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 war durch Mannschaften der in Görlitz stationierten ersten Kompanie des Ersten Schlesischen Jägerbataillons Nummer 5 bei einem Gefecht in der Nähe von Weißenburg am 4. August 1870 das feindliche Geschütz namens „le Douay“ erobert worden. Es gelangte am 23. Juni 1871 nach Görlitz und wurde zunächst vor dem Kaisertrutz aufgestellt. Unter dem Einfluss der damals herrschenden überschwänglichen Sieges-Euphorie wurde im Jahr 1873 der Beschluss gefasst, zur Erinnerung an jenes Ereignis in Görlitz ein entsprechendes Denkmal zu errichten.
Als der zu den herausragenden Persönlichkeiten seiner Zeit gehörende Architekt, Professor an der Bauakademie und Senatsmitglied der Akademie der Künste, Martin Gropius, Anfang der 1870er Jahre Görlitz besuchte, bat ihn der Magistrat, bei der Errichtung eines Siegesdenkmales beratend zu wirken. Das Architekturbüro „Gropius und Schmieden“ in Berlin, welches damals zu den größten und erfolgreichsten deutschen Architekturbüros zählte, führte denn auch den Entwurf dieses Denkmales aus.
Zu jener Zeit war der von Professor Rudolf Leopold Siemering in Berlin anlässlich des Einzuges der heimkehrenden Truppen für den Unterbau der Germania geschaffene Fries in aller Munde. So nimmt es auch nicht Wunder, dass sich schließlich auch in diesem Denkmal in Görlitz der Einfluß Siemerings widerspiegelte. Die Steinmetzarbeiten für das Denkmal wurden wohl in der Steinmetz-Werkstatt Paul Caspar Deutmannsdorf bei Löwenberg in Schlesien ausgeführt. Unter großer Anteilnahme der Görlitz Bevölkerung erfolgte dann am 4. August 1874 die feierliche Einweihung des neben der Treppe zwischen Kaisertrutz und Theater – nur wenige Meter vom heutigen Standort des Demiani-Denkmals entfernt – errichteten Denkmals. Eine zweite Kopie des Frieses wurde später im Lesesaal der 1907 eingeweihten Stadtbibliothek angebracht.
Auf einer erhöhten Plattform des Kanonendenkmals stand das eroberte Geschütz, welches von einer halbkreisförmigen Mauer umschlossen wurde. Innerhalb derselben befand sich eine Nachbildung des Siemeringschen Frieses in Bronze mit der Inschrift:
„Wir lassen Pflug und Hammer;
Wir lassen Buch und Kammer;
In Arbeit und in Wehr,
Mit Gott und unserm Kaiser,
Ein Haus, ein Volk, ein Heer !“
In den folgenden Jahrzehnten fand hier jährlich am 4. August zum Gedenken an jene Schlacht eine feierliche Kranzniederlegung statt.
Auch mit einem Unfall wurde das Denkmal konfrontiert. Wie aus einem Bericht eines Polizeisergeanten namens Hänichen aus dem 6. Polizeirevier Görlitz vom 23. August 1913 hervorgeht, war auf der linken Seite der Umzäunung durch ein Pferdefuhrwerk eine eiserne Säule herausgerissen worden.
Am 17. Juni 1920 wurde in einem Schreiben an den Magistrat der Stadt auf den zunehmenden Verfall des Kanonendenkmals hingewiesen. Viel geändert hat das Schreiben allerdings nichts. Als im Jahre 1942 mit der Verschrottung von Denkmalen für die Rüstungsindustrie begonnen wurde, soll das Geschütz in den Kanonennischen des Kaisertrutzes versteckt worden sein, um es vor der Verschrottung zu bewahren. Für damalige Verhältnisse eine außerordentlich mutige Tat städtischer Bediensteter.
Heute befindet sich die alte Kanone als Dauerleihgabe im westlich von Görlitz liegenden Schloss Krobnitz. Das Denkmal selbst wurde vermutlich nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges abgerissen.