Von Carola Lauterbach
Die Sache mit den verspäteten Elternbescheiden ist seit 12. Juni vom Tisch. Seit diesem Tag wissen die Mütter und Väter der rund 30 300 sächsischen Viertklässler nun, an welcher Schule ihr Kind ab 1. September lernen wird. Mit vielleicht einer einzigen Ausnahme. Tilo Thauer weiß es nicht. Vier Wochen vor Schuljahresabschluss. Zehn Wochen vor Schuljahresbeginn. Der Vater ist verzweifelt.
Vor fünf Wochen hat die Sächsische Zeitung den Fall öffentlich gemacht. Tim Thauer ist elf Jahre alt und besucht eine Förderschule. Gutachten besagen, dass es seiner Entwicklung dienlich ist, wenn er auch weiterhin an einer solchen Schule unterrichtet wird. Weil es keine adäquate in seinem Landkreis Bautzen gibt, wurde eine Schule in Dresden empfohlen. Das wäre kein Problem, wäre Tim in der Lage, allein öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Diese Fähigkeit aber wird ihm – ebenfalls gutachterlich – abgesprochen, weshalb die Familie auf einen Taxifahrdienst angewiesen ist. Derzeit kostet das Tims Vater 13 Euro im Monat, die der auch gern und bereitwillig zahlt. Beim Überschreiten der Kreisgrenze müsste er – obwohl der Schulweg sogar etwas kürzer würde – aufgrund bestehender Satzungen 85 Euro zahlen. Täglich! Dies war der Stand Ende Mai.
Doch für Tilo Thauer, Tims Vater, ist das weitgehend auch der aktuelle Stand. Obwohl es zahlreiche Gespräche gegeben hat und jedem klar ist, dass das einfach inakzeptabel ist. „Ich habe keinen Schulzuweisungsbescheid für Tim“, beantwortet sein Vater die entsprechende Frage der SZ.
Die Sprecherin der Regionalstelle Bautzen der Sächsischen Bildungsagentur (SBA), Angela Ruscher, bestätigt, dass es „noch keine zufriedenstellende Lösung für Tim“ gibt. Die Überlegung, den Jungen integrativ an einer Regelschule zu unterrichten, wurde auch verworfen. Das wäre Tim gegenüber sträflich, unverantwortlich, sagt die Sprecherin: „Den Unterricht in einer großen Klasse verkraftet der Junge nicht.“ Entsprechende Bedenken hatte sein Vater schon vor über einem Monat vorgebracht. Angela Ruscher hofft auf ein Einlenken hinsichtlich der Kostenbelastung bei der Stadtverwaltung Dresden. Dieses Einlenken sieht Eva-Maria Stange in Dresden sehr wohl. Die Bildungspolitikerin der SPD-Landtagsfraktion hat sich der Angelegenheit angenommen, seit sie den SZ-Artikel Ende Mai gelesen hat. Nach ihren Worten hat die in der SBA Bautzen für Förderschüler Verantwortliche versucht, eine Kostenteilung zwischen den Schulverwaltungsämtern Bautzen und Dresden hinzubekommen. Die Rede ist von „interkommunalen Vereinbarungen“. Das sei auf Bautzener Seite gescheitert, so die Abgeordnete. Inzwischen ist von einem monatlichen Betrag in Höhe von 217 Euro die Rede. Das wäre zwar deutlich weniger als die Herrn Thauer im Mai in Aussicht gestellten 1 700 Euro monatlich, „aber immer noch unzumutbar für Eltern“, sagt Eva-Maria Stange Tims Vater und der SZ. Sie hat sich mit der Angelegenheit nun an den Bautzener Landrat Michael Harig (CDU) gewendet, der ihr Prüfung und Bescheid in dieser Woche zugesagt hat.
Tilo Thauer und sein Sohn Tim werden sich also weiter in Geduld fassen müssen. Der Vater hofft so inbrünstig auf einen guten Ausgang. Und fragt dennoch: „Was mache ich, wenn es überhaupt keinen Weg gibt? Wo geht Tim dann zur Schule?“