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Noch liegt Görlitz ganz am Rande

Tagesgesprächmit Andreas Knie

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Gibt es eigentlich einen speziellen Typ der Westsenioren, der in den Osten zieht?

Es sind meist gut verdienende und gebildete Westdeutsche, die umziehen. Die einen haben im Osten familiäre Wurzeln, die anderen tun es aus Liebe zur Kultur.

Gibt es die große Wanderung der Senioren nach dem Osten?

Die sehen wir nicht. Es gibt Städte wie Weimar oder Potsdam, die sehr beliebt sind bei westdeutschen Rentnern. Das Fieber um Görlitz als neues Seniorenparadies ist meiner Meinung nach aber eine Kopfgeburt. Görlitz hat zwar großes Potenzial – weder im Osten noch im Westen kenne ich eine Stadt mit so reicher Baukultur – es fehlen aber die geistige Elite, die Hochkultur, ein bedeutendes Theater zum Beispiel, eine Universität, die frisches Leben mit sich bringen könnte.

Viele Neu-Görlitzer wollen etwas für die Stadt tun. Könnte das eine Dynamik auslösen?

Ja, aber in der Realität gibt es oft große Konflikte nach den Mustern West – Ost, Alt – Jung, Konservativ – Progressiv oder Arm – Reich. Deshalb sind auch viele Projekte wieder eingeschlafen. Natürlich wünscht jeder Görlitzer eine positive Entwicklung. Heute ist es noch eine Stadt ganz am Rand, weit weg von allem. Aber mit offenen Grenzen nach Osten, einer guten Universität, zivilgesellschaftlichem Engagement, mit Zeit und Glück könnte die Stadt einer dieser Leuchttürme im Osten werden.

Gespräch: aus „Badische Zeitung“