„Noch weniger geht nicht“

Von Dagmar Doms-Berger
Region Döbeln. Für freischaffende Künstler, Journalisten und Musiker kann die Corona-Pandemie tatsächlich eine Corona-Krise werden. Von den bisherigen Hilfsprogrammen waren sie ausgeschlossen. Jetzt könnte freien Musikpädagogen das neue Sofortprogramm des Freistaates Sachsen helfen, das seit dem 6. Mai abgerufen werden kann.
Mit dem Programm sollen die Einnahmeverluste ausgeglichen werden. Es soll 60 Prozent der Honorarausfälle von freien oder privaten Anbietern von außerschulischem Musikunterricht ersetzen.
6.000 Euro Verlust bis Juli
Tim Dierks, 43, ist Schlagzeuger und seit 2015 selbstständig. Er lebt mit Frau und vier Kindern (2 bis 16 Jahre) im eigenen Haus in Altenhof. Er unterrichtet seit 2018 Schlagzeug an der Musikschule Döbeln, seit 2014 im Jugendblasorchester Grimma und ist in Schulen im Rahmen der Ganztagsangebote GTA unterwegs.
Als klar war, dass alles geschlossen wird, hat er erst einmal seinen privaten Probenraum im eigenen Haus aufgerüstet, um von dort aus unterrichten zu können. Die Zeit hat er ebenfalls genutzt und seinen Schülern Tutorials online gestellt. Aber nur knapp ein Viertel seiner Schüler nimmt am Onlineunterricht teil. Das Jugendblasorchester in Grimma verzichtet auf die Möglichkeit des Online-Unterrichts.
Finanziell bedeutet dies für den freien Musiker Honorareinbußen. Denn nur geleisteter Unterricht wird auch bezahlt. Sein finanzieller Verlust bis Juli beläuft sich auf knapp 6.000 Euro. Auf dem Haus lastet ein Kredit, auch der will bezahlt sein. Ein unklarer Punkt ist für ihn immer noch die Soforthilfe des Bundes für Solo-Selbstständige, die er auf seinen Antrag vom 31. März tatsächlich bekommen hat.
Der Bundeszuschuss darf nach Bestimmungen von Anfang April nur zur Begleichung von Betriebskosten verwendet werden. Sollte wie in Bremen explizit vermerkt, ein bis zum 31. März eingegangener Antrag auch zur Deckung der Lebenshaltungskosten verwendet werden dürfen, könnte er den Zuschuss behalten und wäre auf weitere Hilfe nicht angewiesen. „Momentan gehe ich davon aus, den Bundeszuschuss trotz Bewilligung und Auszahlung zurückzahlen zu müssen: 4.854 Euro für drei Monate.
Seinen Antrag auf Grundsicherung hat er inzwischen zurückgezogen, weil das Land Sachsen ein Förderprogramm für freie und private Anbieter von Musikunterricht aufgelegt hat, dass das ausgefallene Honorar auffangen soll.
„Für die Unterstützung gilt, was im Bereich prekärer Beschäftigung immer gilt: 60 Prozent von nicht so viel ist eigentlich viel zu wenig“, so der Musiker. Wenn der Antrag bewilligt wird, bekäme er von 1.543 Euro Honorarausfall in der ersten Tranche 926 Euro. Er hofft, dass es in Kombination mit dem Kindergeldzuschlag, den er ebenfalls beantragt hat, passt. „Das ist allemal besser als Grundsicherung.“
„Der April war verheerend“
Teresa Suschke, 33, ist Sängerin. Sie verdient sich ihren Lebensunterhalt mit Auftritten und als Gesangslehrerin. Mit Beginn der Corona-Pandemie brachen ihr innerhalb weniger Tage fast alle Termine weg. Schöpfungsmesse in Bad Elster: abgesagt. Johannespassion in Leipzig und Jena: abgesagt. Viele ihrer Auftritte bestreitet sie im Rahmen der Kirchenmusik. „Der April war verheerend“, sagt sie.
Nur der Gesangsunterricht an der Musikschule Döbeln lief weiter, aber anders. Mit Schließung wurde auf Online-Unterricht umgestellt. „Aber das wollten nicht alle“, sagt sie. Ungefähr ein Drittel der Schüler lehnte dies ab.

Die junge Sängerin hält nichts davon, zu jammern. Da ihr Mann ein festes Einkommen hat, müsse sie sich keine Gedanken darüber machen, wie sie die nächste Miete aufbringt. Sie wünschte sich aber, dass freien Musikern Ausfallhonorare gezahlt werden. Sie befürchtet, dass sich die Konzertabsagen bis ins nächste Jahr ziehen werden.
„Ich habe bereits Stornierungen für September“, so die Sängerin. Die Soforthilfe des Bundes für Solo-Selbstständige hat sie nicht beantragt, denn damit könnten nur Betriebskosten wie Mieten und Leasingverträge für Betriebsräume beglichen werden, nicht aber Lebenshaltungskosten.
Beworben hat sie sich für das Stipendium „Denkzeit“ von der Kulturstiftung Sachsen, eine Zusage steht aber noch aus. Das Programm soll die Künstler darin ermutigen, auch in Zeiten von Veranstaltungsverboten an ihrer künstlerischen Arbeit festzuhalten und individuelle Handlungsansätze zu entwickeln.
Für Miete würde es nicht reichen
Für Dorothea Fromm, 54, aus Hartha verlief mit Beginn der Corona bedingten Einschränkungen alles anders. Sie verdient ihren Lebensunterhalt als freiberufliche Musikerin ausschließlich als Honorarlehrerin.
Sie ist Lehrerin an der Musikschule Döbeln für Klavier- und Keyboard sowie musikalische Früherziehung, gibt Privatunterricht und sorgt für die musikalische Früherziehung im Kindergarten.

Bis auf zwei kann sie all ihre Schüler online unterrichten, auch die Privatschüler. Darüber ist sie froh, denn anfangs war der Unterricht am Computer für viele gewöhnungsbedürftig. Die gesamte Früherziehung aber ist weggebrochen und damit auch ein wesentlicher Teil ihres Einkommens.
Auf die Gesamteinkünfte bezogen, hat sie 35 Prozent weniger Einkommen. „Das sieht auf den ersten Blick nicht viel aus, aber das Einkommen von freien Musikern ist ohnehin nicht üppig und reicht gerade aus, um über die Runden zu kommen. Wir brauchen das Geld für die Lebenshaltungskosten“.
Sie sei daher froh, dass sie verheiratet ist und ihr Mann als Kantor Festgehalt bezieht. Wäre sie allein, würde sie die Miete nicht mehr zahlen können. Denn ein eigener Unterrichtsraum sei nun mal Voraussetzung für die Arbeit als Privatlehrer.
Das Soforthilfeprogramm für freie Musiklehrer will sie beantragen. „Es ist ein Versuch“, sagt sie.
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