Ingo Kramer
Es windet ganz heftig an diesem Nachmittag auf dem Görlitzer Flugplatz. Für Joachim Zuraw kein Problem. „Wir können auch bei diesem Wetter starten“, sagt der Pilot vom Luftsportverein (LSV) Schneverdingen. Sein Segelflugzeug hängt auch schon an der Winde, die dem 56-Jährigen gleich in den Himmel über Görlitz helfen wird. Nachwuchs-Pilot Florian von Fintel (19) und Flugschüler Caspar von Diest (21) bleiben derweil erst einmal am Boden.
Sie sind drei von 34 aktiven Sportlern vom LSV Schneverdingen, die derzeit mit zehn Flugzeugen für ein zweiwöchiges Fliegerlager in Görlitz weilen. „Mit Frauen und Kindern sind wir sogar weit über 40 Leute“, sagt Zuraw. Sie übernachten größtenteils in Zelten auf dem Flugplatz. Einige Sportler schlafen auch in festen Unterkünften in Flugplatznähe, etwa im Ebersbacher Mühlenhotel. Der Verein ist ein reiner Segelflugverein mit rund 100 Mitgliedern, darunter etwa 60 Aktiven. Er besitzt zwar auch einen Motorsegler, aber ansonsten keine Motorflugzeuge. Die Flugplatz-Anwohner sind also keinem Lärm ausgesetzt.
Ausflug ins Sommerlager
Schneverdingen liegt in der Lüneburger Heide – relativ genau in der Mitte zwischen Hamburg, Bremen und Hannover. Jedes zweite Jahr organisiert der Verein ein Sommerlager auf einem anderen Flugplatz in Deutschland, ab und an sogar mal in Frankreich. Dabei geht es meist um drei Anliegen: Schulungsbetrieb für den eigenen Fliegernachwuchs, Wettbewerbsfliegen und das Kennenlernen einer anderen Region.
Auf Görlitz sind sie nicht ganz zufällig gestoßen: Der zweite Vorsitzende des Vereins heißt Kristof Schüch und stammt von hier. „Er ist beruflich nach Hamburg gekommen und hat bei uns seine neue fliegerische Heimat gefunden“, sagt Zuraw. Jetzt organisiert er das Sommerlager in seiner alten Heimat – und hat seine Kollegen an die Neiße gelockt. Fast alle von ihnen sind zum ersten Mal in Görlitz – und begeistert. „Das ist eine traumhafte Stadt und wir sind auch viel im Zentrum unterwegs“, sagt Zuraw. Da es am Montag geregnet hat und sie nicht fliegen konnten, haben sie schon einiges am Boden gesehen. „Auch auf der Landeskrone waren wir schon“, sagt Caspar von Diest. Auch Fahrradtouren stehen als Alternative auf dem Programm. Ein fest organisiertes Besichtigungsprogramm gibt es aber nach Aussage von Florian von Fintel nicht: „Das läuft bei uns ganz entspannt, jeder macht so viel, wie er mag.“
Er war zweieinhalb Jahre Flugschüler und hat seine Ausbildung erst vor Kurzem erfolgreich abgeschlossen. Entsprechend vorsichtig ist er noch, muss bei starkem Wind nicht unbedingt abheben. „Aber wenn es besser wird, will ich auf jeden Fall längere Strecken über Land fliegen“, sagt der 19-Jährige. Erfahrungen sammeln und Spaß am Fliegen, das steht für ihn im Mittelpunkt: „Ich muss nicht auf Leistung fliegen.“ Geplant wird immer nur für einen Tag – je nach Wetter. Die Ziele setzt sich jeder Pilot selbst. „500 Kilometer am Tag sind oft drin“, sagt Florian von Fintel. Caspar von Diest geht seine Ausbildung gelassener an. Er ist seit sechs Jahren Flugschüler. So langsam möchte aber auch er seinen Pilotenschein bekommen. „Da will ich die Zeit in Görlitz gut zum Training nutzen.“
Bis auf 3000 Meter
Hochbetrieb herrscht in diesen Wochen auch für den Görlitzer Flugleiter Werner Lange. Vorige Woche waren die Norddeutschen zwar noch nicht hier, aber stattdessen richtete der Görlitzer Flugsportclub sein einwöchiges Sommerlager aus. „Täglich waren zwölf bis 15 Leute auf dem Flugplatz aktiv, darunter fünf Flugschüler“, so Lange. Auch hier standen Schulungen und Streckenflüge auf dem Programm. Die gerade einmal 15-jährige Flugschülerin Emma Pohle hat dabei erfolgreich ihren ersten Alleinflug geschafft. „Und einmal“, so Lange, „hatten wir eine Windscherung.“ Das heißt, dass drei Flugzeuge mit einer Art Welle bis auf knapp 3 000 Meter Höhe aufgestiegen sind. Normal bei Thermik-Wetterlagen sind lediglich 1 000 bis 2 000 Meter. Ebenfalls spannend: Zwölf Piloten mit vier Flugzeugen haben einen Tages- und Schulungsausflug an die Ostsee gemacht – inklusive Baden im 18 Grad kalten Wasser. Die Ersten sind morgens um acht gestartet, das letzte Flugzeug war gegen 20 Uhr zurück in Görlitz. „Gerade für unsere Flugschüler ist es immer interessant, mal über den Tellerrand zu schauen“, beschreibt Lange den Höhepunkt der Woche.
Da geht es den Norddeutschen nicht anders. Von den Bedingungen her sind sie in Görlitz voll zufrieden. Sie sind Flachland gewohnt. Da ist allein schon die Landschaft in der Oberlausitz eine Abwechslung. „Die Beschaffenheit des Platzes ist super“, lobt Joachim Zuraw. Auch in Schneverdingen haben sie keinen asphaltierten Platz. Florian von Fintel stört das nicht: „Gras ist weniger anspruchsvoll.“ Allerdings trocknet der sandige Heideboden nach Regengüssen sehr schnell ab. Das Görlitzer Problem, dass der Platz bei schlechtem Wetter oft tagelang nicht nutzbar ist, kennen sie also aus ihrer Heimat nicht. Noch bis Sonntag nächster Woche sind die Schneverdinger täglich auf dem Görlitzer Flugplatz anzutreffen – wenn das Wetter mitspielt, bis in die Abendstunden. Wer sie beobachten will, ist herzlich eingeladen. „Gäste sind bei uns immer willkommen“, sagt Lange.