Von Bettina Klemm
Schock für die Mitarbeiter der Wohnungsgenossenschaft „Glückauf“ Süd. „Durch Veruntreuung und Betrügereien eines Notars und eines Anlagenvermittlers hat die Genossenschaft wahrscheinlich 14 Millionen Euro verloren“, teilte ihnen gestern der Vorstand mit. Am Abend wurden auch die Genossenschaftsvertreter informiert.
Geld aus der Reservekasse
„Das Geld stammt aus unserer Liquiditätsreserve“, sagt Prokurist Jens Wendler. Der Verlust treffe die Genossenschaft zwar stark. Aber sie sei nicht in ihrer wirtschaftlichen Handlungs- oder gar Zahlungsfähigkeit beeinträchtigt. „Für unsere Mitglieder und Mieter entstehen keine Nachteile“, sagt die Marketingverantwortliche Sybille Höhne. Die „Glückauf“ gehöre zu den ostdeutschen Wohnungsgenossenschaften, die sich in solider wirtschaftlicher Verfassung befänden. Auch das operative Geschäft – die Wohnungsgenossenschaft erzielt nach eigenen Angaben jährliche Umsatzerlöse von 57 Millionen Euro – werde von dem Finanzdesaster nicht behindert.
So würden in diesem Jahr wie geplant etwa drei Millionen Euro investiert, beispielsweise für zusätzliche Balkone und altengerechte Wohnungen. Gespart werde zuerst in der Verwaltung. Höhne: „Wir prüfen jetzt noch genauer, ob neue Computer gekauft werden können.“
Notar und Anlagenvermittler – Namen will die „Glückauf“ nicht nennen – haben bereits die Schuld anerkannt. Damit gebe es einen Vollstreckungstitel. Da beide aber sicherlich nicht über so viel Vermögen verfügen, habe die Wohnungsgenossenschaft parallel dazu bei der Notarkammer Schleswig-Holstein den Schaden angezeigt. „Da kann uns möglicherweise aus dem Vertrauensschadenfonds ein Teil der Summe erstattet werden“, hofft Prokurist Wendler. Ob und in welcher Höhe werde derzeit geprüft. Die Genossenschaft hat gegen Notar und Anlagenvermittler Strafanzeige gestellt.
2002 hat die Genossenschaft erstmals Geld angelegt. Bevor sie sich für das Angebot eines Schweizer Anlagenvermittlers entschied, hatte sie zur Sicherheit zusätzlich einen Notar eingeschaltet. Außerdem sei der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften einbezogen worden. Auf dessen Anregung seien dem Notar sogar noch strengere Auflagen zur Kontrolle erteilt worden.
„Die erste Anlage wurde auf diese Weise ordnungsgemäß abgewickelt und erbrachte die zugesagte Verzinsung“, sagt Sybille Höhne. Nach Ablauf der Zeit sei das Geld wie vereinbart auf das Konto der Wohnungsgenossenschaft geflossen. So entschloss sich diese für einen Folgeauftrag. Auch im Jahr 2004 sei die Zinsauszahlung und die vereinbarte Rückzahlung eines Teilbetrages von einer Million Euro pünktlich erfolgt.
Schnell Kredit aufgenommen
Doch Ende Dezember gab es plötzlich Probleme mit der Rückzahlung der Anlage. Erst bei einem Gespräch am 11. Januar diesen Jahres in Dresden gestanden Notar und Anlagenvermittler schließlich, dass sie entgegen dem vereinbarten Vertrag in hochspekulative Geschäfte investiert hätten. So sei bereits zum Jahresende 2003 ein erheblicher Teil des Kapitals verloren gegangen. Beide hätten dies aber der Genossenschaft verschleiert, in der Hoffnung, die Verluste 2004 wieder ausgleichen zu können.
Der Notar hatte sich zum Jahresende 2003 sogar für nur kurze Zeit Geld geliehen, um der Genossenschaft einen entsprechenden Kontoauszug mit der erforderlichen Summe vorweisen zu können. Ihm sei zu diesem Zeitpunkt schon bekannt gewesen, dass statt in Festgeldanlagen und festverzinsliche Wertpapiere in hochriskante Spekulationen investiert worden war.