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"Offener Brief" an Markus Söder

Bayerns Ministerpräsident ist plötzlich ein grüner Klima-Aktivist. Das ist aber nicht das Einzige, worüber sich SZ-Redakteur Marcus Thielking wundert.

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Markus Söder hüllt sich in Grün.
Markus Söder hüllt sich in Grün. © dpa/Lino Mirgeler

Lieber Markus Söder!

Jetzt noch mal zum Mitschreiben. Man traut ja seinen Augen kaum, was in den letzten Tagen alles von Ihnen zu lesen war. Erst schlugen Sie vor, alle Bahntickets von der Mehrwertsteuer zu befreien, damit die Leute nicht so oft das Flugzeug nehmen. Dann forderten Sie, den Klimaschutz als Staatsaufgabe im Grundgesetz zu verankern. Schließlich regten Sie auch noch ein deutschlandweites Plastiktütenverbot an. 

Die bayerischen Behörden sollen mit gutem Beispiel vorangehen: keine Tüten, keine Folien, kein Einwegplastik mehr, um ein „Signal für die Umwelt“ zu setzen. Fehlt nur noch, dass Sie sich die Haare wachsen lassen und Birkenstock-Sandalen tragen – wobei, nein, das ist natürlich ein völlig überholtes Klischee. Trägt Grünen-Chef Robert Habeck etwa Zopf und Sandalen? Die Zeit des Schubladendenkens ist vorbei.

Deswegen finde ich es auch völlig okay, wenn Sie als bayerischer Ministerpräsident jetzt mal ein bisschen auf Klimaaktivist machen. Früher war es Ihre Rolle als CSU-Chef, mindestens einmal pro Woche eine härtere Sicherheitspolitik zu fordern oder gegen die Homo-Ehe zu poltern. Der moderne Konservative von heute muss flexibler sein. 

Ihr Parteikollege Horst Seehofer ist plötzlich Flüchtlingshelfer und Seenotretter geworden. „Wer Menschen vor dem sicheren Ertrinken rettet, erfüllt seine humanitäre Pflicht“, erklärte sein Innenministerium jetzt. Und dann hat sogar Hans-Georg Maaßen gesagt, dass er eigentlich „sozial“, also „eher links“ sei, weshalb er sich verbitte, in die rechte Ecke gestellt zu werden. Es wird langsam echt einsam in dieser rechten Ecke, wo auch immer die sein soll.

Kein Wunder, dass Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer das alles auf die Palme bringt. In vier Wochen wird hier gewählt, und der neue linksgrüne CSU-Kurs passt nicht in sein Wahlkampfkonzept. „Die Union muss aufhören, den Grünen hinterherzulaufen“, warnte er. Tatsächlich hat man oft den Eindruck, dass die Sachsen-CDU lieber der AfD hinterherläuft. 

Mein Tipp wäre, dass Parteien keinem hinterherlaufen sollten, sondern einfach ihr Ding machen – siehe Grüne, siehe AfD. Aber das ist wohl auch so eine altmodische Ansicht aus Zeiten, als Grüne noch Sandalen trugen und CSU-Politiker auf den Papst hörten. Wobei Franziskus auch für Klimaschutz und Flüchtlingshilfe ist. Es ist aber auch alles kompliziert geworden!

Überhaupt, dieses ganze Thema Klimawandel. „Die Bundesregierung ist gerade dabei, den Leuten Angst zu machen“, sagt Kretschmer zum Klimaschutz. Ich finde ja eher, das KLIMA ist gerade dabei, den Leuten Angst zu machen, aber wenn er meint … Gewundert hat mich nur, dass Sie nicht beim großen Fridays-for-Future-Treffen in Dortmund diese Woche waren. 

Hat Sie niemand eingeladen? Oder ist die Bahnverbindung von München nach Dortmund so schlecht? Das wollte ich sowieso noch fordern: Gute (und pünktliche!) Bahnverbindungen sollten als Staatsaufgabe ins Grundgesetz. Ich denke, darauf können wir uns alle einigen.

Ihr

Marcus Thielking

Der "Offene Brief" ist eine satirische Rubrik aus dem Wochenend-Magazin der Sächsischen Zeitung.