Von Elke Schmidt
Malte und Sara sind ganz bei der Sache. Gemeinsam mit ihrer Klassenlehrerin Sandra Plötzki gestalten sie im Kunstunterricht das Plakat für ihr Klassenzimmer neu. Ihre Klassenkameraden aus der Mittelstufe drei an der Lisa-Tetzner-Schule in der Goethestraße sind konzentriert, träumen vor sich hin oder haben Probleme mit der Umsetzung und würden am liebsten aufgeben. Das ist genauso wie an vielen anderen Schulen und doch ist hier manches anders. Den zurzeit 78 Schülern an der Zittauer Förderschule für Geistigbehinderte fällt das Lernen aufgrund verschiedenster Ursachen grundsätzlich schwer. Dabei geht es nicht nur um abstrakte Dinge wie Mathematik oder Naturwissenschaften, sondern manchmal auch um Hausarbeit oder das Organisieren des Alltags. Um das zu schaffen, brauchen sie mehr und intensivere Hilfe als andere Kinder.
Dass sie diese auch bekommen, dafür sorgen an der Tetzner-Schule insgesamt 32 Sonderpädagogen, Heilpädagogen und Heiltherapeuten. Sie alle arbeiten daran, jedes einzelne ihrer Kinder entsprechend seiner Möglichkeiten zu fördern. Natürlich machen das andere Schulen auch, aber an einer Förderschule gibt es keine festgelegten, für alle auf gleiche Weise geltende Bildungsstandards, sagt die stellvertretende Schulleiterin Michaela Weiß.
Für jeden Schüler werde dafür am Schuljahresanfang der individuelle Leistungsstand festgestellt, aus dem dann ein Förderplan entwickelt wird. Die Kinder werden bei dem Wissens- und Könnensstand abgeholt, an dem sie sich gerade befinden. „Wir wollen vor allem, dass die Kinder Erfolge haben.“, sagt sie.
Dabei gebe es keinen Leistungsdruck. Dennoch würden sie die Kinder sehr wohl dazu anhalten, das zu leisten, was sie nach ihrem individuellen Entwicklungsstand leisten könnten, auch wenn ihnen das einmal nicht so leicht fällt. Ziel sei, dass die Schüler so selbstständig werden und ihr Leben ohne fremde Hilfe gestalten können, wie es für jeden einzelnen von ihnen möglich ist. Daher gibt es für das Erreichte keine Noten, dafür jedoch ausführliche Entwicklungsberichte.
Und weil die individuelle Förderung so groß geschrieben wird, ist an der Lisa-Tetzner-Schule manches doch anders geregelt. Am augenscheinlichsten ist, dass nur wenige, manchmal sind es nur drei oder vier, Schüler in einer Klasse oder Leistungsgruppe sind. Betreut werden diese von zwei pädagogischen Kräften, manchmal noch unterstützt von jemanden im Bundesfreiwilligendienst oder freiwilligen sozialen Jahr.
Die Ganztagsschule ist von sechs bis 16 Uhr geöffnet. Die Kinder essen Frühstück, Mittag und Vesper in der Schule und die Jüngsten halten ihren Mittagsschlaf im Haus, sagt Michaela Weiß. Um den Kindern nach dem langen Schultag einen zusätzlichen Termin am späten Nachmittag zu ersparen, kommen Ergo-, Physiotherapeuten und Logopäden ins Haus.
Es gibt zwölf Schuljahre, je drei in der Unter-, Mittel-, Ober- und der sogenannten Werkstufe, in der die Schüler den Übergang in die Arbeitswelt vorbereiten. Sara, Malte und die anderen haben Fächer wie Mathe und Deutsch, Kunst und Sport, aber auch Hauswirtschaft, Textilarbeit, Heimat und Straßenverkehr. Dazu kommen Wahlpflichtfächer, die ihre Interessen aufgreifen. Der Renner ist dieses Jahr das Kochen und sportliche Angebote wie das Reiten.
Für Kinder, denen das Lernen schwer fällt, haben wir sehr gute Bedingungen, sagt Schulleiter Volker Jäger. Dennoch wollen viele Eltern ihre Kinder nicht an eine Förderschule schicken. Es gebe Vorbehalte, auch dahingehend, dass die Kinder durch andere stigmatisiert werden könnten. Daher wollten betroffene Eltern ihre Kinder immer öfter auf Regelschulen schicken. Volker Jäger war und ist ein Verfechter sowohl von Integration als auch Inklusion. Dennoch funktioniere das nur mit den notwendigen personellen, räumlichen und sachlichen Voraussetzungen. Wenn die vorhanden sind, sei vieles machbar.
So sieht man das auch im sächsischen Kultusministerium. Im sächsischen Schulgesetz, welches aktuell überarbeitet wird, soll festgeschrieben werden, dass die Förderschulpflicht grundsätzlich abgeschafft wird, sagt Susann Meerheim, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Insbesondere für Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Förderschwerpunkten Lernen und geistige Entwicklung werde es dann erstmalig möglich, gemeinsam mit nichtbehinderten Schülern zu lernen und entsprechende Abschlüsse zu erwerben. Das sei allerdings nur möglich, wenn bei der aufnehmenden Schule die entsprechenden Voraussetzungen vorlägen. Grundlage sei überdies, dass das Gesetz wie vorgelegt beschlossen wird.