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Ohne Zuhause durch die Coronakrise

Das Coronavirus trifft die Schwächsten unserer Gesellschaft am stärksten. Die Hilfen für Wohnungslose werden nach und nach heruntergefahren.

Von Marvin Graewert
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Auch Obdachlose sind angehalten zuhause zu bleiben, besser gesagt in ihrer Ecke zu bleiben.
Auch Obdachlose sind angehalten zuhause zu bleiben, besser gesagt in ihrer Ecke zu bleiben. © Paul Zinken/dpa

Die roten Tore zur katholischen Kirche in Kleinzschachwitz sind weit und einladend geöffnet, der Vorplatz hell erleucht. Normalerweise würden hier in den nächsten drei Stunden nach und nach Wohnungslose ein­tru­deln, um eine warme Dusche und einen sicheren Schlafplatz zu bekommen. Aber an diesem Mittwochabend, vier Stunden vor dem Shutdown ist nichts normal - der Obdachlosenaufenthalt geschlossen. Bis Dienstag wurde vor den Nachtcafés über Alternativen informiert. Am Mittwoch erinnerte noch ein kleiner Zettel daran, dass die Saison vorzeitig beendet wurde.

Doch die Schließung scheint sich herum gesprochen haben, am Mittwoch strandete niemand vor den Kirchentoren und über Alternativen gäbe es sowieso nicht viel zu erzählen. Um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen, werden die Hilfsangebote nach und nach eingeschränkt. Das macht sich sofort in der Bahnhofsmission Dresden bemerkbar, die noch geöffnet ist. "Wir merken das schon: Seitdem sind ein paar Leute mehr da", erzählt Leiterin Elvira Ploß. Gleichzeitig wurde der Aufenthalt in der Bahnhofsmission massiv eingeschränkt, bis Dienstag konnten sich dort zumindest noch sieben Menschen für einen kurzen Moment ausruhen. Seit Donnerstag gibt es eine neue Regelung, die nur noch Einzelberatungen möglich macht und morgen kann schon wieder alles anders sein. Damit drinnen der nötige Abstand eingehalten werden kann, sammeln sich die Besucher vor der Tür. "Wir müssen jetzt echt aufpassen, dass sich da keine Menschentraube bildet", sagt Ploß.

Bleibt in eurer Ecke

Geht es um die Versorgung von Obdachlosen, liegt die Hilfe in der Hand von vielen ehrenamtlichen Helfern. In Zeiten der Corona-Pandemie gehören viele davon selbst zur Risikogruppe und bleiben zuhause. Für Rosi Scharf, die seit acht Jahren die Dresdner Heilsarmee gemeinsam mit ihrem Mann leitet, muss es weitergehen - wenn auch eingeschränkt. Ihr Tagestreff hat nur noch zu den festen Mahlzeiten geöffnet und ohne sich am Eingang die Hände zu desinfizieren kommt niemand mehr rein. Den Ernst der Lage haben die meisten Gäste begriffen und könnten die Einschränkungen deshalb auch nachvollziehen. "Trotzdem sind wir jahrelang ihr Wohnzimmer gewesen, da sind die Leute natürlich ein bisschen grummelig. Aber mit ein bisschen Überredung bekommen wir das hin." Scharf ermutigt ihre Gäste nämlich Tag für Tag zuhause zu bleiben und sich die nötigen Lebensmittel und Kleider vorbeibringen zu lassen. Ganz konkret heißt das, den ganzen Tag an der Ecke zu bleiben, wo sie ihren Schlafplatz aufgeschlagen haben. Was bei dem momentanen Frühlingseinbruch noch irgendwie klar gehen mag, kann sich am Wochenende ganz schnell ändern, wenn die Temperaturen wieder unter Null fallen sollen.

Wer aufgrund der Coronakrise Hilfe braucht, oder jemanden kennt, der hilfsbedürftig ist, kann sich gerne unter 0163 8687 664 bei der Heilsarmee Dresden melden.

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