Von Christoph Scharf
Auf den Bautzener Eigenbetrieb Abwasser kommt dieses Jahr eine ungewöhnlich große Aufgabe zu: Ein ganzes Wohngebiet erst vom Abwassernetz zu trennen – und kurz darauf wieder neu anzuschließen. Trotzdem ist Chef Uwe Ebermann zuversichtlich. Denn das heikle Vorhaben in Gesundbrunnen haben der Bautzener und seine Kollegen schon mehrfach durchgespielt – zumindest in Gedanken.
Ausgangspunkt des geplanten Großprojekts ist ein unscheinbares Gebäude unterhalb des Gesundbrunnenrings, schräg gegenüber von Kaufland. In dem hellen Flachbau mit den blauen Kanten landet das Abwasser von jedem fünften Einwohner der Kreisstadt. Wenn irgendwo jemand in Gesundbrunnen an der Toilettenspülung zieht, rauscht das Wasser an den tiefsten Punkt des Wohngebiets. Wenn jemand an der Flinzstraße duscht, ist es in der Pumpstation zu merken. Und auch die Waschbecken im Bürogebäude des Eigenbetriebs an der Schäfferstraße landen dort.
„Insgesamt sind 9 000 Einwohner an der Pumpstation Gesundbrunnen angeschlossen“, sagt Uwe Ebermann. Anders als in den meisten anderen Stadtteilen findet ihr Abwasser nicht per Schwerkraft den Weg zum zentralen Klärwerk in Bautzen-Jenkwitz, das versteckt hinter dem Praktiker-Baumarkt liegt. Das Abwasser aus Gesundbrunnen muss mit viel Druck über eine unterirdische Leitung wieder nach oben Richtung Röhrscheidtbad gepumpt werden, bevor es mit dem Gefälle am Marktkauf vorbei zu Schafberg- und Löbauer Straße läuft und von dort ins Klärwerk.
Und bei dieser Druckleitung liegt das Problem: Die gusseiserne Röhre mit rund 40 Zentimetern Durchmesser ist undicht. Und zwar nicht nur an einer einzigen Stelle. Sondern auf rund 140 Metern. Schon vor längerer Zeit war eine Havarie am Gesundbrunnenring aufgetreten: Unterhalb des Röhrscheidtbads stand plötzlich die Straße unter Wasser. Darauf ließ der Eigenbetrieb die Leitung mit einer Spezialkamera befahren. „Und die fand gleich mehrere Schwachstellen“, sagt Uwe Ebermann. Die Diagnose: Lochfraß. Eigentlich ist das ungewöhnlich, denn die Leitung ist gerade mal rund 40 Jahre alt. Sie wurde in den 70ern mit dem Bau des Viertels verlegt. Andere Abwasserröhren in Bautzen sind doppelt so alt oder noch älter. „Aber wahrscheinlich wurde auf diesem Abschnitt minderwertiges Material verwendet.“ Denn die übrigen Teile der Druckleitung sind noch intakt.
Aber alles hilft nichts: Der ganze schadhafte Abschnitt muss ausgewechselt werden. Schließlich hängt an dieser Ader die komplette Abwasserbeseitigung des Stadtteils. Und deshalb plant der Eigenbetrieb im Sommer ein Großprojekt, das drei Monate in Anspruch nehmen wird.
Im Juni geht es los. Die 140 Meter lange Problemstelle wird aufgegraben. Betroffen ist der Abschnitt am Gesundbrunnenring unterhalb des Röhrscheidtbads. Zum Glück liegt die Leitung nicht direkt unter der Fahrbahn, so dass es keine komplette Straßensperrung geben muss. Der Bau kommt mit einer Einengung der Fahrbahn aus. Allerdings wird der Gehweg beeinträchtigt, außerdem muss im Sommer vorübergehend eine Bushaltestelle weichen.
Ist der Abschnitt tief genug aufgegraben, wird eine neue Röhre aus besser haltbarem Guss verlegt – direkt über die alte Röhre, die so lange noch in Betrieb bleibt. Erst wenn ihr Nachfolger fertig ist, wird unten im Tal die Abwasserpumpstation abgeschaltet, so dass das Rohr leerläuft. Dann muss es schnell gehen: In einer Hauruckaktion wird die Druckleitung oberhalb und unterhalb der Schadstelle unterbrochen und die Enden an die neu verlegte Röhre angeschlossen. Für diesen Augenblick der Wahrheit sucht der Eigenbetrieb extra eine Uhrzeit aus, in der erfahrungsgemäß wenig Wasser im Abfluss landet. Dennoch ist die Mission heikel: Während die Umbindung läuft, muss eine Armada von Spezialfahrzeugen das Abwasser von 9 000 Bautzenern an der Pumpstation abpumpen, um es per Lkw in die Kläranlage zu schaffen. Die Operation im August wird schwierig – aber Uwe Ebermann ist zuversichtlich.