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Neue Organspende-Regeln: Fragen & Antworten

Bis zu welchem Alter kann ich spenden? Wie wird der Hirntod festgestellt? Experten geben Antworten.

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Derzeit warten fast 10.000 Menschen in Deutschland auf ein Spenderorgan, viele von ihnen vergeblich. Um die Zahl der Spender zu erhöhen, tritt 2022 ein neues Gesetz in Kraft.
Derzeit warten fast 10.000 Menschen in Deutschland auf ein Spenderorgan, viele von ihnen vergeblich. Um die Zahl der Spender zu erhöhen, tritt 2022 ein neues Gesetz in Kraft. © Waltraud Grubitzsch/dpa (Symbolfoto)

Bundesweit gaben im vergangenen Jahr 932 Menschen nach ihrem Tod ihre Organe frei. Fast 3.000 Organe konnten an Patienten vermittelt werden. Doch derzeit warten immer noch etwa 9.500 Kranke auf ein Spenderorgan. Viele SZ-Leser machen sich die Entscheidung zur Organspende nicht leicht. Ihre Fragen beantworteten Beate Gray und Iris Eber von der Deutschen Stiftung Organtransplantation und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung am Telefon.

Ist das neue Gesetz zur Organspende eigentlich schon in Kraft?

Nein, es tritt zwei Jahre nach seiner Verkündung in Kraft, das wird voraussichtlich im ersten Quartal 2022 sein. Das neue Gesetz sieht vor, dass die Menschen regelmäßig zu ihrer Bereitschaft zur Organspende befragt werden, zum Beispiel in Bürgerämtern, wenn sie einen neuen Ausweis beantragen. Auch ein Onlineregister ist geplant.

Wie wird gewährleistet, dass die im Online-Register hinterlegte Entscheidung zur Organspende sicher vor dem Zugriff Unbefugter ist?

Laut Gesetzentwurf sind „die erforderlichen räumlichen, technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen, damit die im Register gespeicherten Daten gegen unbefugtes Hinzufügen, Löschen oder Verändern geschützt sind und keine unbefugte Kenntnisnahme oder Weitergabe erfolgen kann.“ Es sollen sichere Verfahren zur Authentifizierung eingesetzt werden – sowohl für das Hinterlegen der Entscheidung zur Organspende als auch für den Abruf durch einen berechtigten Arzt.

Bis zu welchem Alter kommt eine Organspende überhaupt infrage?

Es gibt keine Grenze. Der älteste Organspender war 98 Jahre alt. Die älteste Gewebespenderin war sogar 102 Jahre alt. Ob gespendete Organe oder Gewebe für eine Transplantation geeignet sind, kann immer erst im Fall einer tatsächlichen Spende medizinisch überprüft werden.

© Caroline Seidel/dpa

Meine Eltern haben eine Erklärung zur Organspende handschriftlich notiert und unterschrieben. Würde das denn akzeptiert werden?

Ja, es ist möglich, die Erklärung auf einem Bogen Papier formlos mit den vollständigen Personalangaben und Unterschrift zu notieren. Wer die Festlegung seiner Eltern oder anderer Angehöriger nicht kennt, sollte danach fragen, damit im Todesfall schnell in deren Sinn entschieden werden kann. Klarer wird es aber, wenn ein Organspendeausweis ausgefüllt oder sich später in das Online-Register eingetragen wurde.

Kann ich in meinem Testament verfügen, dass ich nach meinem Tod meine Organe spenden möchte?

Nein. Denn zu dem Zeitpunkt, zu dem das Testament eröffnet wird, ist es für eine Organentnahme zu spät.

Ich habe gelesen, dass Spenderorgane europaweit verteilt werden. Dauert das nicht zu lange?

Die Organe werden innerhalb weniger Stunden in einer Konservierungslösung zum Empfänger transportiert. Ist eine Organentnahme möglich, melden das die Krankenhausärzte an die Deutsche Stiftung Organtransplantation, DSO. Ein Koordinator der DSO veranlasst, alle wichtigen Organ- und Gewebewerte festzustellen, den Zustand des Spenderorgans zu überprüfen und auch zu untersuchen, ob der Spender eventuell an einer übertragbaren Krankheit leidet. Diese Daten gibt er an Eurotransplant weiter – die Vermittlungsstelle für Deutschland, die Benelux-Staaten, Österreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn. Hier wird mittels Computersystem anhand medizinischer Daten nach geeigneten Empfängern gesucht. Die zuständigen Transplantationszentren werden informiert und die Organe schnellstmöglich dorthin geschickt und direkt nach der Ankunft transplantiert.

Kann ich auch in einer Patientenverfügung meine Entscheidung für oder gegen eine Organ- und Gewebespende festhalten?

Ja. Hierzu wird für die Zustimmung folgende Formulierung empfohlen: „Ich stimme einer Entnahme meiner Organe und Gewebe nach meinem Tod zu Transplantationszwecken zu. Komme ich nach ärztlicher Beurteilung bei einem sich abzeichnenden Hirntod als Organspender in Betracht und müssen dafür ärztliche Maßnahmen durchgeführt werden, die ich in meiner Patientenverfügung ausgeschlossen habe, dann geht die von mir erklärte Bereitschaft zur Organspende vor.“ Bei einer Ablehnung: „Ich lehne die Entnahme von Organen und Geweben ab.“

Wie wird der Hirntod festgestellt? Ist das Verfahren sicher?

Zunächst wird geprüft, ob eine schwere Hirnschädigung vorliegt. Zudem muss ausgeschlossen werden, dass vorübergehende Einflüsse wie Unterkühlung oder Medikamente für den Ausfall der Hirnfunktionen verantwortlich sind. Erst danach werden die sogenannten Hirnstammreflexe getestet. Beispielsweise, ob sich die Pupillen bei Lichteinfall verengen, oder ob der Husten- und Würgereflex ausgelöst wird. Bleiben alle infrage kommenden Reflexe aus, wird die Spontan-Atmung geprüft. Indem man die Beatmung ausschaltet, wird normalerweise das Atmungszentrum aktiviert. Löst dies keinen Atemzug aus, liegt ein Ausfall des Zentrums vor. Dann gibt es weitere Untersuchungen wie die Messung der Gehirnströme (EEG) oder die Überprüfung, ob das Gehirn noch durchblutet wird. Können keinerlei Gehirnaktivitäten gemessen werden oder wird die fehlende Durchblutung des Gehirns nachgewiesen, gilt der Hirntod als festgestellt.

Als hirntot gilt ein Mensch, in dessen Gehirn keinerlei Aktivitäten mehr festgestellt werden können.
Als hirntot gilt ein Mensch, in dessen Gehirn keinerlei Aktivitäten mehr festgestellt werden können. © Waltraud Grubitzsch/dpa

Ich will nach meinem Tod meinen Körper einem anatomischen Institut zur Verfügung stellen. Komme ich trotzdem als Organspender infrage?

Das kommt auf die vertragliche Vereinbarung an. Es gibt Einrichtungen, die eine Körperspende auch nach einer Organentnahme entgegennehmen. Ansonsten gilt, dass bei einem potenziellen Körperspender die Organspende Vorrang hat. Dann entfällt – wenn nicht anders vereinbart – die Körperspende. Erweist sich jedoch, dass eine Organspende nicht möglich ist, wird das entsprechende Institut benachrichtigt.

Warum braucht man noch Herzklappen von Verstorbenen? Es gibt doch inzwischen auch künstliche.

Sie sind weiterhin wichtig bei der Behandlung schwerer Herz- und Gefäßerkrankungen. So lassen sich Herzklappen und große Blutgefäße, die durch Entzündung zerstört wurden, oft nur durch die Herzklappe beziehungsweise die Hauptschlagader eines Verstorbenen ersetzen. Künstliche Alternativen sind oft nicht geeignet, da sie leicht mit den im Körper des Patienten befindlichen Krankheitserregern besiedelt werden können. Herzklappen und Blutgefäße menschlichen Ursprungs sind auf Grund ihrer Oberflächenstruktur dagegen besser gewappnet. Wenn Babys oder Kleinkinder eine Klappenprothese benötigen, sind menschliche Herzklappen oftmals die einzige Option, da künstliche Herzklappen häufig viel zu groß und den Druckverhältnissen nicht gewachsen sind.

Werden Organe und Gewebe immer unverändert als Ganzes übertragen?

In den meisten Fällen ist das so. Kann allerdings ein Spenderorgan aufgrund seines medizinischen Zustands nicht transplantiert werden, können einzelne Teile, wie beispielsweise die Herzklappen, entnommen werden. Darüber hinaus ermöglicht es der medizinische Fortschritt, aus menschlichem Gewebe oder Zellen mit Hilfe hochkomplexer technischer Verfahren Arzneimittel herzustellen, die zur Behandlung verschiedener Erkrankungen bedeutsam sind. So können Leberzellen genutzt werden, um ein akutes Leberversagen maschinell zu überbrücken, bis sich entweder die eigene Leber erholt hat oder eine Leber transplantiert werden konnte.

Ab welchem Alter darf ein Organspendeausweis ausgefüllt werden?

Laut Transplantationsgesetz ab dem 16. Lebensjahr, der Widerspruch kann ab dem 14. Lebensjahr erklärt werden. Eine Einwilligung der Eltern ist nicht notwendig. Das Gleiche ist für die künftige Online-Registrierung vorgesehen.

Gibt es Erkrankungen, die eine Organspende generell ausschließen?

Ob Organe entnommen werden können, entscheidet sich erst im Falle eines Hirntodes. Es ist jedoch sinnvoll, wenn Sie Ihre Erkrankungen mit Auftrittsdatum auf dem Ausweis oder künftig im Online-Register vermerken. Wer eine akute Krebserkrankung oder eine HIV-Infektion hat, kann keine Organe spenden.

Ich kann mich noch gut an Berichte über Manipulationen bei Organvergaben erinnern. Wie soll das künftig ausgeschlossen werden?

Es wurde eine Reihe von Verbesserungen umgesetzt. So haben die flächendeckenden, unangekündigten Stichproben in den Transplantationszentren zur Aufdeckung weiterer Vorfälle geführt. Alle Transplantationszentren wurden einer solchen Prüfung ausgesetzt, um das System transparenter und sicherer zu gestalten. Diese Prüfungen werden auch in den kommenden Jahren stattfinden. Um Manipulationen bei Organvergaben zu verhindern, wurden interdisziplinäre Transplantationskonferenzen eingeführt. Dabei wird gemeinsam mit medizinischen Fachrichtungen, die keine Verbindung zur Transplantationsmedizin haben, über die Aufnahme in die Warteliste und deren Aufsicht entschieden. (rnw)