Von Jan Lange
Wer vor acht Monaten auf ihr Wohnhaus geschossen hat, werden Ute und Jürgen Hensel nie wirklich erfahren. Die Staatsanwaltschaft stellte jetzt die Ermittlungen ein. Einem Verdächtigen konnte sie die Tat letztlich nicht hundertprozentig nachweisen. Der 62-Jährige besaß nach Angaben der Polizei zwar unerlaubt eine halbautomatische Kurzwaffe, ob er mit dieser die Schüsse abgegeben hat, konnten die Kriminalbeamten aber nicht klären.
Für manche Ostritzer kommt die Einstellung des Verfahrens nicht überraschend. „Das war mir schon lange klar“, meint Wolfgang Rudolph, der im Haus neben Familie Hensel wohnt. In solchen Fällen komme nach seiner Meinung nie etwas heraus. „Die Polizei hat nicht richtig ermittelt“, findet der Ostritzer. Ute Hensel hat dazu eine andere Meinung. „Unser Eindruck ist, dass sie ihr Möglichstes getan haben“, sagt die 45-Jährige.
Kurz nach den Schüssen hatte die Polizei den Tatort an der Klosterstraße kriminaltechnisch untersucht und ein Projektil sichergestellt. Die Kugel hatte an jenem Montagabend gegen 20 Uhr die Terrassentür durchschlagen und die Hensels nur knapp verfehlt. Es blieb bis heute der einzige Vorfall bei Familie Hensel. Dafür wurden auf weiteren Grundstücken die Bewohner durch Schüsse in Angst und Schrecken versetzt. Immer wieder habe es gekracht, bestätigen Anwohner der Klosterstraße. „Meistens war es in der Nacht“, so einer der Anwohner. Auch Gottfried Pohl war zweimal betroffen. Den ersten Vorfall habe er gar nicht der Polizei gemeldet. Beim zweiten Mal schossen zwei Kugeln über sein Haus hinweg. Gottfried Pohl, der in diesem Augenblick gerade im Garten war, sah nur ein Moped wegfahren. Ob der Fahrer aber etwas mit den Schüssen zu tun hatte, kann der Ostritzer nicht mit Gewissheit sagen.
Unter den Nachbarn wurde spekuliert, dass die Schüsse von polnischer Seite abgegeben wurden. Bei Familie Hensel waren deshalb gleich Kriminalbeamte aus Berlin mit angerückt. „Schade um die Steuergelder, dass sie bis aus der Hauptstadt hierher gekommen sind“, meint Jürgen Hensel nun rückblickend.
Die ballistische Untersuchung des Projektils hatte schnell den Verdacht, dass der Heckenschütze von Polen aus agiert, widerlegt. Auch Heinz Milian, der ebenfalls an der Klosterstraße wohnt, hat nie an die Version mit dem polnischen Schützen geglaubt. „Das polnische Neißeufer ist hier niedriger, der Schütze müsste über die Spundwand schießen. Bei der Schräge und der Entfernung wäre die Kugel über das Haus geflogen“, ist sich Milian sicher.
Das 9 Millimeter-Geschoss wurde, wie die polizeilichen Ermittlungen ergaben, eindeutig von deutscher Seite abgefeuert. Die Polizei verstärkte daraufhin ihre Ermittlungen gegen einen Anwohner der Klosterstraße. Es gab eine Hausdurchsuchung, bei der die Polizei allerdings keine Beweise fand, die für eine Anklage ausreichten. Es wurde keine Waffe gefunden, erklärt Till Neumann, Pressesprecher der Görlitzer Staatsanwaltschaft. Aus diesem Grund konnte das vorgefundene Projektil auch nicht zugeordnet werden. Einen Erfolg hatte die Aktion dennoch. Denn seit der Hausdurchsuchung ist Ruhe, berichtet ein Nachbar. Bestätigt wird dies von Gottfried Pohl. „Es hörte schlagartig auf.“ Solange es ruhig bleibt, werde er auch Ruhe lassen. Sollte es wieder losgehen, werde er es den Behörden melden, kündigt Pohl an.
„Dass die Ermittlungen eingestellt wurden, finden wir nicht schön, können es aber auch nicht ändern“, sagt Ute Hensel. „Wir denken uns unseren Teil“, fügt sie hinzu. Dass sich der Schütze nicht selbst gestellt hat, findet sie feige. „Wir werden keinen verdächtigen“, erklärt die 45-Jährige. Am Verhältnis zu den Nachbarn hat sich seit dem Vorfall nichts verändert. Es gibt keine Probleme. Dies war auch vor den Schüssen so. Den Anschlag konnte sich Familie Hensel, die vor fünf Jahren von Schlegel nach Ostritz gezogen war, deshalb nicht erklären.
Die beschädigte Terrassentür haben die Hensels mittlerweile ersetzt. Auch wenn die Spuren der Schüsse damit verschwunden sind, den Vorfall wird die Ostritzer Familie so schnell nicht vergessen. Daran ändert auch die Einstellung des Verfahrens nichts. Dieses kann bei Vorliegen neuer Erkenntnisse vor Ablauf der Verjährung jederzeit wiederaufgenommen werden, stellt die Staatsanwaltschaft klar.