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Auftritt vor dem Sofa

Die Corona-Krise trifft auch die Musikszene hart. Was tun? Die Ottendorferin Katrin Wettin zeigt sich da einfallsreich.

Von Rainer Könen
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Wie wird die Resonanz sein? Violinistin Wettin vor dem Wohnzimmerkonzert.
Wie wird die Resonanz sein? Violinistin Wettin vor dem Wohnzimmerkonzert. © privat

Ottendorf. Das Konzert beginnt um 20 Uhr. Ein wenig aufgeregt ist die Ottendorferin Katrin Wettin schon. Wie eigentlich an jedem der Abende zuvor auch. Die große Frage: Wie wird die Resonanz auf die folgenden 45  Minuten sein? Denn fest steht: Applaus wird es nicht geben. Was sie, die schon vor Tausenden von Menschen aufgetreten ist, bedauert. Schließlich ist der Applaus das Brot des Künstlers. Aber in Corona-Zeiten muss man als Künstler andere Wege gehen, um sich Anerkennung zu holen. Also schaut die 45-jährige Musikerin nach jeder Vorstellung ins Internet, um zu sehen, wie es in den sozialen Netzwerken, auf Facebook ankam, ihr Wohnzimmerkonzert.

Seit zwei Wochen kann man ihr per Livestream zuhören. Statt auf Tournee zu gehen, ist ihre Bühne nun das eigene Wohnzimmer. Dass sie mit ihrem Mann, ebenfalls ein Musiker, zu einer Art Studio umgestaltet hat. Zuletzt habe sie einen italienischen Abend veranstaltet, mit Werken von Caruso, dem weltbekannten italienischen Opernsänger. Das sei ihr ein Bedürfnis gewesen, erklärt sie. „Wir wollten so unsere Solidarität mit den unter der Corona-Krise so heftig leidenden Italienern zeigen“, beschreibt sie es. Das kam an. Etliche Italiener hatten zugeschaut, ihr gepostet. Sich bedankt. Auch für Künstler ist diese Corona-Krise eine harte Zeit. Alles ist abgesagt, keine Proben, keine Lesungen, keine Konzerte, keine Drehs. In der Musikwelt fürchten viele um ihre Existenz. Musiker müssen ihre geplanten Tourneen absagen. Konzerte sind auf den Herbst verschoben. Aber wer kann schon sagen, ob dann wieder gespielt werden kann.

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"Versuchen, kreativ zu bleiben"

Katrin Wettin, die mit ihrer Familie im Ottendorfer Ortsteil Medingen lebt, ist in der hiesigen regionalen Musikszene eine bekannte Größe. Im Dresdner Schlachthof trat die studierte Violinistin schon auf, ihre Konzerte waren ausverkauft. Beim Dresdner Stadtfest begeisterte sie das Publikum, im Fernsehen war sie ebenfalls zu sehen. Mit ihrer Band, einem 23-köpfigen Ensemble, tritt sie oft auf. Doch seitdem die Corona-Krise auch in Deutschland das kulturelle Leben gänzlich niedergestreckt hat, geht nichts mehr. „Seit Anfang März gibt es keine Auftritte mehr“, erzählt sie. Und das werde sich wahrscheinlich bis in den Juni hinziehen. Ob der geplante Auftritt in der Burkauer Kirche, die sie für den 20. Mai gemietet hat, zustande kommt, sie versucht sich in Zweckoptimismus. „Wir bereiten uns jedenfalls vor, hoffen, dass wir auftreten können“, erklärt sie. Ihr derzeitiger Alltag unterscheidet sich aber nicht wesentlich von dem, den sie vor der Corona-Krise hatte. „Wir haben musikalische Projekte, an denen wir arbeiten, mit den Bandkollegen sind wir in Kontakt, planen weiter.“ Der Unterschied sei, dass ihre beiden Kinder, die 14-jährige Tochter und der sechsjährige Sohn, jetzt daheim seien und beschäftigt werden müssten. Alles sehr ungewohnt. „Man muss versuchen, kreativ zu bleiben, um für sich Lösungen zu finden.“ Die Wohnzimmerkonzerte gehören dazu, auch, um sich bei den Menschen in Erinnerung zu bringen. „Diese abendlichen Aufführungen tun mir gut, lenken mich ab“. Obwohl es mitunter nicht einfach sei, die derzeit so schwierige existenzielle Situation während der Wohnzimmer-Aufführungen ganz auszublenden.

Um 20 Uhr auf Sendung

Sie und ihre Künstlerkollegen wurden auch von diesem Lockdown kalt erwischt. Von einem Tag auf den anderen hieß es: Keine Auftritte mehr, keine Gage. Eine entbehrungsreiche Zeit sei das, die ja all treffe. Aber auf der anderen Seite habe die auch ihr Gutes, findet sie. „Die Solidarität untereinander, sie wächst von Tag zu Tag.“ Das sehe sie in ihrem Umfeld, wo man sich gegenseitig unterstütze. Die Wohnzimmerkonzerte, sie sind ein fester Bestandteil ihres Alltags. „Das tut einfach derzeit gut, wenn man sieht, dass man von vielen gelikt wird.“ Ihre abendlichen Wohnzimmerkonzerte schauen sich mittlerweile bis zu 6000 Menschen an. Das freut sie. die aus einer hochbegabten Familie stammt. Die Mutter Mathematikerin, der Vater war Opernsänger an der Semperoper. Ihr eigenes musikalisches Talent wurde an der Spezialschule für Musik „Carl Maria von Weber“ gefördert.

Hier kann man sich ihre Wohnzimmerkonzerte anschauen. Ihr Repertoire ist vielfältig. Klassik, Rock und Filmmusik. Auch ihre Lieblingsballaden wie „Als ich fortging“ von Karussell, „Leningrad“ von Billy Joel oder der „Sturm“ von Vivaldi dürften sicher demnächst auch zu hören sein. Wenn die Ottendorferin um 20 Uhr auf Sendung geht, um von ihrem Wohnzimmer aus den Menschen in dieser Zeit ein wenig Kultur zu schenken.

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