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Ottendorfs kleine Geschichtenschreiber

Jedes Jahr verfassen die Schüler eigene Erzählungen. Die Ottendorfer Buchhändlerin Dorit Müller-Kahler will die Ergebnisse jetzt veröffentlichen.

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Von Marleen Hollenbach

Felix und Louisa haben sich verlaufen. Eigentlich waren sie auf einem Dachboden unterwegs, hatten sich eine alte Truhe angesehen. Doch mit einem Mal begann für die beiden ein richtiges Abenteuer. Felix und Lousia sind keine echten Kinder, sondern die Protagonisten der Geschichte „Der geheimnisvolle Dachboden“. Nicht ein berühmter Autor ist ihr Erfinder. Die Schüler der Ottendorfer Grundschule haben sich diese Figuren und das Abenteuer, welches sie erleben, ausgedacht, den Text schließlich zu Papier gebracht. Unterstützung bekamen sie dabei von den Mitarbeitern der Ottendorfer Buchhandlung Mükado. Eine Stunde lang saßen sie am vergangenen Mittwoch zusammen, überlegten, konstruierten die Handlung – genau wie echte Schriftsteller. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Das meint auch Dorit Müller-Kahler, Inhaberin der Ottendorfer Buchhandlung. Sie ist die Initiatorin der Veranstaltung. Jedes Jahr im April lädt sie die Viert- und Fünftklässler aus Ottendorf-Okrilla zu sich ein. Gemeinsam feilt sie mit ihnen an der Geschichte, die später einmal im Geschäft ausgestellt wird. Und nicht nur das. Am Ende des Tages bekommt jedes Kind ein Buch geschenkt.

© Thorsten Eckert

Alltag und Fantasie

Mit einer Klasse gemeinsam eine Geschichte entwickeln – das hört sich einfacher an, als es in Wirklichkeit ist. „Zuerst waren die Kinder sehr zurückhaltend. Es lag dann an uns, mit vielen Fragen die Ideen aus ihnen herauszukitzeln“, weiß die Chefin der Buchhandlung. Doch wenn die Schüchternheit erst einmal verflogen ist, dann erlebt Dorit Müller-Kahler immer wieder einen richtigen Ideenfluss. Da fällt es nicht leicht, alle Aspekte unter einen Hut zu bringen. Bisher ist das aber immer geglückt. „Zunächst sortiere ich das aus, was die Kinder irgendwo schon einmal gesehen haben. Ich sage dann immer, dass die Schriftsteller ihre Geschichten auch selbst erfinden müssen“, sagt die Inhaberin der Ottendorfer Buchhandlung. Dann werden Detailfragen geklärt. Wie viele Protagonisten soll es geben, wie heißen sie, wie alt sind sie? Was erleben diese Figuren?

Die schwierigste Aufgabe wartet aber ganz zum Schluss auf die kleinen Autoren. Eine gute Geschichte braucht ein gutes Ende. Doch wo setze ich einen Punkt und wie? Dorit Müller-Kahler kennt da einen besonderen Trick. „Wenn wir uns gar nicht auf einen Schluss einigen können, dann schlage ich vor, dass der Wecker klingelt und das Abenteuer am Ende nur ein Traum war“, sagt sie. Besonders galant sei diese Methode nicht. Doch nach einer Stunde muss eben auch ein Ergebnis her. Das Abenteuer von Felix und Louise kommt jedoch ohne einen Wecker aus. Die Viertklässler haben sich gleich ein richtiges Happy End ausgedacht.

Die Fantasie der Kinder fasziniert die Buchhändlerin immer wieder aufs Neue. Die Geschichten beginnen meist ganz alltäglich. Oft steht ein gemeinsamer Klassenausflug am Beginn der Story. Dann aber wird es bunt. Die Namen der Figuren werden kurios, die Handlungen mystisch. „Es ist ja auch kein Wunder. Beim Geschichtenausdenken können die Kinder endlich ihre vielen verrückten Ideen aufs Papier bringen“, sagt Dorit Müller-Kahler. Sie ist so begeistert von den Werken der Schüler, dass sie die vielen Geschichten nicht nur in der Schublade verstauen will. Nach der Veranstaltung werden die Blätter im Schaufenster der Buchhandlung zu sehen sein. Und dabei will es Dorit Müller-Kahler nicht belassen. Mit dem Material hat sie Größeres vor. „Vielleicht kann man ja irgendwann daraus ein richtiges kleines Buch machen. Für Erstleser beispielsweise“, sagt sie. Während die Kinder dankbar über die Abwechslung sind, ist diese Veranstaltung für die Ottendorfer Buchhandlung wichtig, um im Gespräch zu bleiben. „Natürlich bemerken auch wir, dass die Ottendorfer ihre Bücher häufiger im Internet bestellen. Wir wollen ihnen zeigen, dass sie auch hier vorbeikommen können“, sagt Dorit Müller-Kahler. Das ist ein Grund, warum sich die Inhaberin der Buchhandlung für dieses Projekt engagiert. Gern würde sie es beispielsweise sehen, wenn die Kinder nach der Schule hier vorbeischauen würden, ein Buch bei ihr kaufen oder bestellen.

Kinder lesen noch

Es geht aber auch darum, den Kindern das Lesen wieder schmackhaft zu machen. Im Zeitalter von Computer und Co. könnte man ja glauben, dass diese Generation den Bezug zum gedruckten Wort schon lange verloren hat. Dies sei aber gar nicht der Fall, meint Dorit Müller-Kahler. „Die Kinder lesen gern, man muss ihnen nur die Bücher anbieten, die sie wirklich interessieren“, erklärt sie. Comics seien beispielsweise gerade wieder im Kommen. Die würden selbst lesefaule Kinder zum Schmökern animieren. Überhaupt, so ist sich die Buchhändlerin sicher, sei wichtig, was die Eltern vorleben. Schauen sie selbst immer mal wieder ins Buch, dann fällt es auch den Kindern leichter zur Lektüre zu greifen. „Dank unserer guten Bibliothek können aber auch Kinder mit Büchern in Kontakt kommen, die es sich vielleicht nicht leisten können, die gesamte Lektüre zu kaufen“, sagt sie. Egal wie, die Schwellen sollten so gering wie möglich sein. Dann gelingt es auch, die Begeisterung für Bücher weiterzugeben. Das gemeinsame Geschichtenschreiben soll dazu einen Beitrag leisten. Auch im kommenden Jahr möchte Dorit Müller-Kahler die Schüler wieder zu sich in die Buchhandlung einladen. Dann könnte es ein Wiedersehen mit Felix und Louisa geben. Vielleicht entschließen sich die Schüler ja dazu, eine kleine Fortsetzungsgeschichte zu schreiben.