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Die Gefahr aus den Muffinförmchen

Papier ist auch nicht mehr das, was es mal war - sondern viel mehr. In Heidenau wird erforscht, was Verbraucher schützen und ihnen helfen soll.

Von Heike Sabel
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Was ist - vorm Backen - im Muffinförmchen? Lebensmittelchemikerin Silvia Lang und Umweltchemiker Max Schneider bekommen es raus.
Was ist - vorm Backen - im Muffinförmchen? Lebensmittelchemikerin Silvia Lang und Umweltchemiker Max Schneider bekommen es raus. © Norbert Millauer

Das Auge kauft mit. Aber nicht nur deshalb sind Verpackungen wichtig. Auch das Gefühl kauft mit, das grüne für die Umwelt. Deshalb wird immer wichtiger, woraus eine Verpackung besteht. Kunststoff oder zum Beispiel Papier. Strohhalme werden zu Papierhalmen, Plastetüten zu Papierbeuteln, selbst Flaschen gibt es schon aus Fasern. Die Heidenauer Forscher der Papiertechnischen Stiftung arbeiten an Alternativen.

Aber:  Es wird nie ohne Kunststoff gehen, sagen sie, und: Gleichzeitig wird das Papier seinen Weg gehen. Nicht nur, weil es ihr Geschäft ist. Papier ist längst mehr als das, was man beschreiben oder bedrucken kann.  Was in Heidenau erforscht wird, hat oft der Verbraucher später in der Hand. Hier an der Pirnaer Straße wird unabhängig für die Wirtschaft entwickelt. Ein Blick in die Labore der Heidenauer Forscher.

Alles in Papier

Das Papier ist auch nicht mehr das, was es mal war - und zwar im positiven Sinne. Seine Einsatzbereiche scheinen keine Grenzen zu kennen. Papier hat einige unschlagbare Vorteile: bedruckbar, natürlicher Rohstoff und wiederverwendbar, sicher im Sinne des Einsatzes bei Lebensmitteln. Das macht es auch für die Verpackung attraktiv. Da muss es den Zweck erfüllen, schön aussehen und eben auch noch gut fürs Gefühl sein.  Am Anfang der Geschichte war es nur der Zweck. Stichwort: der in die alte Zeitung eingewickelte Fisch. Wer heute zum Beispiel Chips oder Schokolade kauft, will sie knackig und frisch haben, auch wenn sie schon eine Weile unterwegs waren und im Regal lagen. 

Bei Fleisch ist das mit dem Papier als Verpackung schon schwieriger.  Schließlich soll es länger haltbar bleiben. Die größte Hürde in diesem Fall: Papier ist sauerstoffdurchlässig, und das schadet dem Fleisch. Es reicht also nicht, schön auszusehen. Eine Aufgabe also für die Heidenauer Forscher. 

Genau wie die "Plastetüte aus Papier". Tüten aus Plast sind dünner und gleichzeitig reißfester, sind aber für die Umwelt eine Belastung, weil sie nicht wieder verwertbar sind. Die gesellschaftliche Meinung und auch Gesetze beschleunigen solche Entwicklungen. Prozesse und das Papier verändern sich. 

Teller oder Joghurtbecher aus Papier bzw. Faserstoffen herzustellen, ist gar nicht so schwer. Der Knackpunkt ist, sie so in die Form zu bringen, dass sie ihren neuen Zweck auch erfüllen. Da geht es dann auch um Umformtechniken. 

Bundesamt warnt

Mit schönen bunten Muffinförmchen aus Papier macht das Backen, Servieren und Essen gleich doppelt so viel Spaß. Doch sind sie auch gesundheitlich unbedenklich? Die Heidenauer erarbeiten derzeit Prüfverfahren, um die Eignung der Förmchen zu untersuchen. Prinzipiell sollte es natürlich nichts geben, was zur Verwendung für Lebensmittel nicht geeignet ist. Doch der Interpretationsspielraum sei da recht groß, sagt Projektleiter Max Schreiber.  Es gehe um eine sichere Bewertung. Das Ergebnis wird vielleicht manchem Hersteller solcher Förmchen nicht gefallen, aber das ist nicht das Problem der Forscher. Für den Verbraucher zählt allein die Sicherheit.

Wie aktuell das ist, zeigt eine Warnung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom Mittwoch. Demzufolge haben  Muffinförmchen einer Charge der DekoBack GmbH einen erhöhter Wert einer chemischen Verbindung.

Alles Papier - und viel zum Forschen und Entwickeln für die Heidenauer.
Alles Papier - und viel zum Forschen und Entwickeln für die Heidenauer. © PTS

Die drei größten Irrtümer

Die Pizzaschachtel: Sie ist aus Pappe, also ab ins  Altpapier. Denkste. Das Fett, das von der Pizza triefte, macht die Schachtel fürs Altpapier unbrauchbar. Also gehört sie in den Gelben Sack.

Der Kassenbon: Er ist nicht erst seit der Bonpflicht ein Thema.  Das Thermopapier, auf dem er gedruckt ist, macht auch ihn für das Altpapier unbrauchbar. 

Die Brötchentüte: Bei der ist es ähnlich wie bei der Pizzaschachtel. Auch die Brötchen geben Fettigkeit ab, mal sieht man es der Tüte mehr an, mal weniger. Die Folge: Auch die Brötchentüte gehört statt ins  Altpapier in den Gelben Sack. 

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Wenn die Heidenauer etwas erforscht haben, probieren sie es auf ihrer Versuchspapiermaschine und im Labor aus. Der nächste Schritt folgt dann in der Wirtschaft oder weiteren Instituten. Bei sehr vielen Projekten arbeiten die Heidenauer mit der Technischen Universität Dresden zusammen. Manchmal geht die reine Forschung schnell und es braucht Jahre, bis die Erfindung dann in die Produktion geht. 

Steffen Schramm leitet die  Pilotanlage im Technikum der Papiertechnischen Stiftung. Hier kommt auf den Praxis-Prüfstand, was erforscht wurde. 
Steffen Schramm leitet die  Pilotanlage im Technikum der Papiertechnischen Stiftung. Hier kommt auf den Praxis-Prüfstand, was erforscht wurde.  © Norbert Millauer

Was die Heidenauer noch erforschen

  • Die Verpackung ist nur ein Wachstumsbereich von drei, an denen die Heidenauer arbeiten. Auch Hygiene- und Spezialpapiere verändern sich.
  • Papier in der Batterie? Auch das ist mit Elektropapieren schon erforscht worden.
  • Selbst in Flugzeugen kommt Papier als Baustoff zum Einsatz. Das ist freilich nicht mehr das klassische Papier, das wir vom Schreiben oder als Buch kennen.
  • Altpapier ist und bleibt der wichtige Grundstoff. Für die Weiterverarbeitung aber ist wichtig, zu wissen, woraus es sich zusammensetzt. Dafür haben die Heidenauer ein digitales Messgerät entwickelt. Es handelt sich um einen weltweit einmaligen Sensor, der dicke Ballen Altpapier auf ihre Zusammensetzung untersucht.