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Pestvogel und Luftakrobat

Ein überall häufiger Vogel, der in Größe, Körperbau und Lebensweise der Schwalbe in hohem Maße ähnelt. Sein Gefieder erscheint bis auf die weiße Kehle braun. In reißendem Fluge (Flügel sehr lang, sichelförmig,...

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Von Siegfried Bruchholz

Ein überall häufiger Vogel, der in Größe, Körperbau und Lebensweise der Schwalbe in hohem Maße ähnelt. Sein Gefieder erscheint bis auf die weiße Kehle braun. In reißendem Fluge (Flügel sehr lang, sichelförmig, Schwanz ausgeschnitten) erbeutet er seine Nahrung, die aus kleinen Insekten besteht (Schnabel kurz, aber Maul sehr weit). Die schwachen Füße erlauben ihm weder zu gehen noch zu hüpfen. Da jedoch alle Zehen nach vorn gerichtet (Klammerfüße) und mit spitzen Krallen bewehrt sind, vermag sich der Segler an Mauern und dergleichen festzuhäckeln“ schrieb vor 100 Jahren Prof. O. Schmeil in seiner „Zoologie“. So kurz und bündig – dazu völlig zutreffend – erklärt heute kaum noch ein Autor diesen Vogel.

Die Leute waren im Mittelalter nicht sehr glücklich, wenn plötzlich die schwarzen Vögel auftauchten, die dazu noch an den Gebäuden ihre Nester in Kolonien anlegten. Solche, bis dahin, kaum bekannten düsteren Vögel mussten etwas Schlimmes bedeuten, mussten Vorboten einer Seuche oder einem Krieg sein. Deshalb nannten die Einwohner diesseits der Alpen den Mauersegler „Pestschwalbe“. Erst im Mittelalter verschob sich das Brutgebiet über die Alpen weiter nördlich, und heute brüten Mauersegler, abgesehen vom nördlichen Norwegen im gesamten Europa.

Warum der Mauersegler zum Vogel des Jahres 2003 gewählt wurde, hängt wohl damit zusammen, dass mit der Sanierung der Altbauten die Mauerlücken, die defekten Dächer, Belüftungsschächte und andere Brutnischen verschwinden. Deshalb steht die Befürchtung des Rückganges der rasanten Flieger. Auch Baumbrüterpopulationen sind verschwunden oder höchst selten, es sind Seglerkolonien in Althölzern. Die Althölzer mit den Baumhöhlen wurden der Wirtschaft zugeführt und die letzten Baumbrüterkolonien der Segler waren futsch.

Nisthilfen für unseren Segler bieten die Bau- und Gartenmärkte an. Wer etwas handwerklich geschickt ist kann diese aber auch selbst bauen. Einmal erwählte Niststätten benutzt das Paar ein Leben lang. Das kann durchaus 21 Jahre betragen, wie bei einem Ringvogel. Bei diesem Vogel errechnete E. Weitnauer eine Lebensleistung von mehr als 3,8 Flugkilometer. Der Erdumfang am Äquator beträgt 40 000 Kilometer – folglich hätte der Mauersegler die Erde fast 100 mal umrundet.

Im Gegensatz zu Sperlinge und Schwalben hinterlassen Mauersegler keinen „Dreck“ am Brutplatz. Regelmäßig werden die Ausscheidungen der Jungvögel von den Eltern entsorgt. Der Luftakrobat ist speziell an das Leben in der Luft angepasst. Mauersegler pflegen bei der Balz sogar den „Luftverkehr“, dass heißt, die Kopulation kann schon in der Flugphase erfolgen.

Die nützlichen Segler leben ausschließlich von Fluginsekten, die im Jagdflug erbeutet werden. Bei anhaltenden Schlechtwetterperioden verfallen die Jungvögel im Nest in eine Art Hunger-Lethargie und können so längere Zeit durch Einschränkung der Atemfrequenz und Körpertemperatur überleben.

Der Vogel ist auch in den größten Vogelparks und besten Zoos nicht anzutreffen, er lässt sich in Gefangenschaft nicht halten. Auch das Aufpäppeln junger, aus Nestern gefallenen Mauersegler ist nur selten geglückt.