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Petticoat, Peeptoe und Pumps

Wer in Dresden den Rockabilly leben will, musste bisher in Sachen Mode lange suchen. Stefanie Schulze will das ändern.

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Von Franziska Lange

Das knallt so richtig. Rosa Punkte auf pinkem Grund. Wäre der alte Laden lebendig, er würde sich gewiss die Augen reiben. Wo früher biedere Lederwaren über den Tresen gingen, tobt ab heute das Lebensgefühl der 40er- und 50er-Jahre. Mit allem, was in Sachen Mode dazugehört. Mit rosa Tapete an den Wänden, Peeptoes im Regal und Petticoats im Schaufenster. Eine Hommage an die wilden Jahre des Rock ’n’ Roll soll der neue Laden auf der Königsbrücker Straße werden. Und die Erfüllung eines Traums für Stefanie Schulze.

Dass sie eines Tages etwas Eigenes auf die Beine stellen würde, habe sie schon zu Beginn ihrer Lehre im Lebensmitteldiscounter gewusst, erzählt die 26-Jährige. Und so wie sie es sagt, käme niemand auf den Gedanken, daran zu zweifeln. Vielleicht liegt das daran, dass die Dresdnerin ausstrahlt, was sie sagt, trotz locker gebundenem Pferdeschwanz und Wohlfühlpulli. Vielleicht ist es aber auch die Akribie, mit der sie von ihrem Weg erzählt. Kein Detail lässt die junge Frau aus, jedes brachte sie ihrem Ziel ein Stück näher. Vom Lebensmitteldiscounter über Klamotten-, Schuh-, Handy- oder Schmuckladen bis hin zur Fleischerei – überall hat sie gearbeitet, mal als Verkäuferin, mal mit Filialverantwortung.

Kaufrausch im Frühling

Und immer gehörten die Nächte nicht nur ihrer Liebe für Rockabilly-Partys, sondern auch ihrem Nebengewerbe als Barkeeperin. Nur so konnte sie mit dem knappen Gehalt über die Runden kommen. Ganz schön viel auf einmal? Die gebürtige Meißnerin zuckt mit den Schultern. Sie sieht das pragmatisch. „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, und ich erst recht. Lange zu arbeiten, das macht mir nichts aus. Und die Berufserfahrungen kann mir keiner nehmen.“ Für ihren eigenen Laden gehören diese zum Grundkapital. Nicht zuletzt ihretwegen stand der Termin für die heutige Eröffnung schon vor mehr als einem Jahr fest, noch bevor die Ladenidee überhaupt Gestalt annahm. Klingt verrückt? „Quatsch“, sagt Stefanie Schulze, „einen Laden einzurichten, das braucht Berufserfahrung und einen riesigen Vorlauf. Ohne Planung läuft da nichts.“

Gut, dass wenigstens die Idee zum Laden spontan kam. „Das war ein Abend, wie ihn jede Frau kennt“, erinnert sie sich. Mit Freundinnen wollte sie losziehen, doch der Kleiderschrank schien leer, bis auf die schwarze Hose, das dunkle Shirt und dieses Paar Peeptoes, das sie heute noch ehrt. „Blauweißes Karomuster, gestreifter Absatz und Blümchen obendrauf. Einfach ein Knaller!“ So von einem Schuh mit Zehenloch zu schwärmen, das können wohl nur Frauen. „Das war der perfekte Style für den perfekten Moment, und genau den will ich verkaufen“, sagte sich Stefanie Schulze damals – und ihr Leitsatz war geboren.

Heute kennt sie die Details für den großen Moment aus dem Effeff. Wenn die Geschäftsfrau über die Kleider und Schuhe in ihrem Laden redet, malen ihre Hände ausladende Gesten. Dann spricht sie schnell, aber genau, erklärt, wie jener Schuh zu jenem Kleid passt und welches Accessoire nie fehlen dürfe. Kein Stück hängt ohne Grund im Laden. Die Markenauswahl hat sie mit Sorgfalt zusammengestellt. Vieles gab es bisher nicht in Dresden. Frauen, die den Rockabilly-Stil leben, finden im „Pretty UP“ einen Klamottenladen zum Lieben, und damit ihr bei dieser Auswahl nichts durch die Lappen geht, sind Listen zu Stefanies ständigen Begleitern geworden.

Auf denen notiert sie alles, was bis zur Ladeneröffnung zu tun ist. Im Januar vor einem Jahr standen darauf noch Posten, wie Lieferanten auswählen, Messen besuchen und Ware bestellen. Alles bis diesen März, denn im Frühling kaufen die Leute am meisten ein, sagt Stefanie Schulzes Berufserfahrung. „Das ist schwerer als gedacht“, plaudert sie aus dem Erfahrungskästchen, das sich in den vergangenen zwölf Monaten rappelvoll gefüllt hat. Denn wer Mode verkaufen will, braucht Weitsicht. Saisonware wird Monate vorher bestellt, Liefertermine auch dann vereinbart, wenn noch gar kein Mietvertrag unterschrieben ist. Und Werbematerial schon geordert, obwohl längst nicht klar ist, ob das Ladenprojekt überhaupt finanziert werden kann. „Das Schlimmste war die Warterei auf die Entscheidung der Banken“, erzählt Stefanie Schulze über das vergangene Jahr. Der Businessplan, die monatelange Suche nach einem geeigneten Laden zum Mieten und die Kündigung des festen Jobs – das alles war dagegen ein Klacks. Erst die vierte Bank gab ihr den Zuschlag, doch das dauerte. „Zu Silvester war alles vertragsbereit“, sagt sie, „ganz schön knapp!“ Gerade einmal zwei Monate blieben ihr so für den Innenausbau und die Einrichtung des Ladens. Ohne Freunde hätte sie es nicht geschafft.

Nachtschicht als Barkeeperin

In nicht enden wollenden Nachtschichten haben sie die Wände tapeziert, Regale angebracht und Umkleidekabinen eingerichtet. Nicht nur das Farbkonzept in Pink und Braun stammt von Stefanie, sondern auch die Inneneinrichtung. Das aufgemöbelte Sofa im Ruhebereich ist ein Original aus den 50ern. In einer Kleinanzeigenbörse im Internet hat sie es gefunden. Viel schwieriger war es, die Tapete zu bekommen. „Such’ das mal im Internet. Bis du darauf kommst, dass du rosa mit pinken Punkten in die Suchmaske eingeben musst, vergeht viel Zeit“, erzählt sie. Und selbst der große Teppich machte es Stefanie Schulze schwer. „Man kriegt ja alles, nur keine runden Teppiche in rosa. Und wenn, dann nur mit Figuren in der Kinderabteilung.“

Wie gut, dass ihr der Zufall wenigstens das übrige Mobiliar bescherte. Weil eine Modekette in der Altmarktgalerie ihre Filiale schloss, gab es Dekomaterial, Hocker, Kleiderbügel, Spiegel und Schaufensterpuppen besonders günstig. Zum Glück, denn eine Ladeneröffnung geht ins Geld.

Zwei Monate gibt sie sich Zeit, um finanziell auf die Beine zu kommen. Danach muss der Laden laufen. Was Stefanie Schulze einnimmt, investiert sie direkt in neue Ware. Dass das nicht leicht wird, ahnt die junge Frau. Rund 60 Stunden wird sie dafür hinter ihrem Tresen stehen müssen, Vor- und Nachbereitungszeit nicht inbegriffen. Dazu kommen noch die Nachtschichten als Barkeeperin. Darauf will sie nicht verzichten, des Geldes und der Gewohnheit wegen. Ausgespannt wird an den Sonntagen, das reicht. Zu sehr freut sie sich darauf, ihr eigener Chef zu sein. In einer rosa Wolke mit pinken Punkten.