Von Reinhard Kästner
Bereits morgen fliegt die Familie von Gerold Heinke, der bis 2001 Pfarrer in Marbach war, nach China zurück. Dort war er sechs Jahr Pfarrer der „Evangelischen Gemeinde deutscher Sprache“. Seit vergangenem Sommer ist er Dozent am Theologischen Seminar in Peking. Über zwei Stunden lang berichtete er interessierten Mitgliedern der Kirchgemeinde über seine Arbeit.
Drei Gemeinden zu betreuen
So erfuhren die Zuhörer, dass eines der wichtigsten Verkehrsmittel des Pfarrers das Flugzeug ist. Denn neben dem Kirchendienst für die Gemeinde in Peking hielt er auch Gottesdienste im 1200 Kilometer entfernten Shangai und in der Stadt Changzhou, die 900 Kilometer nördlich der Hauptstadt liegt. „Allein nach Shanghai bin ich 68 Mal geflogen, um bei der dortigen ökumenischen Gemeinde das kirchliche Leben zu organisieren. Und das war eine wunderbare Erfahrung“, sagt der Pfarrer.
In Peking leben rund 3800 Deutsche auf Dauer und weitere 1800 mit kurzfristigen Arbeitsverträgen. „Das ist wie ein Dorf. Da muss sich der Pfarrer auch für die Gerüchteküche interessieren.“ Doch allzu viel Zeit blieb Gerold Heinke dafür nicht. Außer den Gottesdienst, der in einem Saal der Deutschen Botschaft gefeiert wird, hatte er an der Deutschen Schule den Religionsunterricht sowie die Ausbildung der Konfirmanden zu leiten.
Pfarrer als Dozent tätig
Da sich Gerold Heinke sehr für die Geschichte der Kirche in China interessiert, bat er um eine Verlängerung seiner Anstellung. Das wurde jedoch nicht genehmigt. Und so entschied er sich, am Theologischen Seminar in Peking den kirchlichen Nachwuchs mit auszubilden. Seine Vorlesungen hält er in englischer Sprache. Und er unterichtet weiter einige Wochenstunden an der deutschen Schule.
Mit dem Pfarrer sind seine Frau Michaela sowie die Kinder Albrecht (11. Klassse) und Natalie (6. Klasse) nach Peking gezogen. Anfangs lebte auch die große Tochter Teresa bei ihnen, doch nun studiert sie in Deutschland. Dr. Michaela Heinke hatte zunächst keine Arbeitserlaubnis bekommen. So hat sie das erste Jahr in Peking zum Malen genutzt. In dieser Zeit entstanden rund 200 Bilder. Auf vier Ausstellungen hat sich die Ärztin einen Namen als Künstlerin gemacht. Etwas später war es ihr dann möglich, als Medizinerin an einer internationalen Klinik in Peking zu arbeiten. „Dann meldeten sich die Vertreter der deutschen Autofirmen, die in China große Zweigwerke betreiben. So ist sie Betriebsärztin bei BMW, VW und Daimler-Benz. Dort hält sie wöchentlich Sprechstunden“, berichtet Gerold Heinke.
Strafe für zweites Kind
Um trotz hoher Arbeitsbelastung der Eltern das Familienleben zu gewährleisten, haben Heinkes eine chinesische Haushaltshilfe, die mit ihrem Mann in der Wohnung der deutschen Familie lebt. „Als die Frau ihr zweites Kind bekam, was in China verboten ist, musste sie umgerechnet 10000 Euro Strafe bezahlen“, berichtete der Pfarrer den erstaunten Zuhörern. Und wenn das Kinder dann etwa zwei Jahre alt ist, wird es von den Großeltern aufgezogen. Das ist Sitte in China.
Ausländer fühlen sich sicher
Auf die Frage nach der Kriminalität in China antwortet Heinke mit einer Feststellung: „Ich fühle mich in Peking sicherer als in Deutschland, zumal die Ausländer besonderen Schutz erhalten.“
Viele Episoden aus dem Alltag in Peking erzählt der Pfarrer, darunter auch, wie die Familie mit der SARS-Epidemie zurecht kam. Am meisten staunten die Gleisberger jedoch, als sie von dem neuen Kirchenbauprogramm in China erfuhren. In manchen Kirchen der Hauptstadt werden bis zu fünf Gottesdienste am Tag gehalten. „Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 150 Millionen Christen in China leben. Und fast alle von ihnen besuchen regelmäßig den Gottesdienst. Man kann also sagen: In China gehen sonntags mehr Gläubige in die Kirche als in ganz Europa.“ Bei einer 1000 Kilometer langen Radtour mit dem Sohn hat der Pfarrer das Land aus einer anderen Perspektive kennen gelernt.
Zukunft ist ungewiss
Noch drei Jahre werden Heinkes in China bleiben. Und schon heute sagt der Pfarrer, dass das eine Zeit ist, die er nicht missen möchte, die ihm viel gegeben hat. Wo es nach dieser Zeit hingeht, ist ungewiss. „Ich würde gern für den Weltrat der Kirchen in Genf arbeiten“, sagt Gerold Heinke. Die Gleisberger Gemeindemitglieder wünschten ihm und seiner Familien viel Glück in der Ferne.