SZ +
Merken

Pfarrersfamilie packt die Koffer

Julia Fricke verlässt Burkhardswalde. Eher als gedacht und nicht ganz freiwillig, aber mit guten Erinnerungen.

Teilen
Folgen
© Norbert Millauer

Von Heike Sabel

Nach ihrem ersten Gottesdienst in Burkhardswalde gab es eine Grußstunde im Erbgericht. Nachdem der Vorgänger acht Jahre geblieben war, hoffte die Gemeinde nun auf eine Pfarrerin, die 40 Jahre bleibt, sagte der Kirchenvorsteher damals. Es sind nur sechs geworden. Am Sonnabend verabschieden die Burkhardswalder ihre Pfarrerin Julia Fricke, in der ersten Juliwoche fährt der Möbelwagen von Burkhardswalde nach Hessen.

Eine der letzten Amtshandlungen: Am Pfingstmontag taufte Julia Fricke im Rahmen eines Gottesdienstes unter freiem Himmel auf dem Hutberg bei Wingendorf Lisamarie Kühnel aus Börnersdorf. Foto: Daniel Förster
Eine der letzten Amtshandlungen: Am Pfingstmontag taufte Julia Fricke im Rahmen eines Gottesdienstes unter freiem Himmel auf dem Hutberg bei Wingendorf Lisamarie Kühnel aus Börnersdorf. Foto: Daniel Förster © Daniel Förster

Sie geht eher, als sie wollte. Das macht es schwer für sie und den Abschied traurig. Denn klar ist: Julia Fricke ist die letzte Pfarrerin in der Geschichte der eigenständigen Gemeinde Weesenstein-Burkhardswalde. Zum Jahresbeginn haben sich die Kirchgemeinden Heidenau, Dohna und Weesenstein-Burkhardswalde zusammengeschlossen. Drei Gemeinden, zweieinhalb Pfarrstellen, drei Pfarrerinnen. Bisher. Denn die Vorgabe stand: Eine halbe Stelle fällt perspektivisch weg. Zwei der drei Pfarrerinnen sagten, sie schauen sich um. „Und für mich hat sich nun als Erste eine Alternative ergeben“, sagt Julia Fricke.

Das Herz blutet

Die Alternative befindet sich unweit des Wohnortes der Eltern ihres aus Hessen stammenden Mannes. Seiner Familie kommen die Frickes näher. Ihre Familie, die Mutter und die Geschwister, bleiben hier in der Region. Julia Fricke wird sie vermissen. „Das wird eine Umstellung für alle.“

Sachsen und Hessen, das waren die beiden Bundesländer, in denen sich Julia Fricke umschaute. Ob die neue Arbeit 80 oder 500 Kilometer entfernt ist, sei egal. Neuanfang ist Neuanfang. „Mossautal ist schön, das Dorf Güttersbach, in dem wir wohnen werden, auch klein und ein bisschen wie Burkhardswalde“, sagt Julia Fricke. Sie macht sich auf den Weg. Das Symbol des Aufbruchs will sie zurücklassen, als Mutmacher. Es soll den Burkhardswaldern die Angst nehmen.

Manch Gemeindemitglied denkt, seine Pfarrerin lässt ihn im Stich. Deshalb blutet Julia Fricke ein bisschen das Herz. „Aber es gibt keinen Schuldigen, das ist die Gesamtentwicklung der Gesellschaft, die ich als Einzelperson nicht aufhalten kann, genau so, wie sich der Zug in die Stadt kaum aufhalten lässt“, sagt sie.

In den vergangenen zwei Jahren wurden viele Gespräche geführt, wie die Kirchgemeinden weiterleben können. „Wer aktiv sein will, findet etwas“, sagt sie. Es klingt ein bisschen, als ob sie sich selbst trösten will. Darüber hinweg, dass im Pfarrhaus kein Licht mehr brennt. Vielleicht zieht ja jemand ein, der ein Herz für die Kirche hat, bei dem man einfach mal klingeln kann, der bei Bedarf auch mal die Kirchenglocken läutet.

Der Pfarrer bzw. die Pfarrerin gehören ins Dorf. Eigentlich. Doch die Zeiten von Helmut Berthold sind vorbei. Der 81-Jährige war über vier Jahrzehnte Pfarrer in Burkhardswalde und hat den Ort zu einem Begriff im Kirchenbezirk gemacht. Einen, den seine Nachfolger Christian Lehnert und Julia Fricke weiterentwickelt haben. „Der Begriff wird bleiben, der Pfarrberuf verändert sich“, sagt Julia Fricke, die sich mit 42 nicht das erste Mal verändert.

In Mossautal warten sie schon lange auf einen Pfarrer. Julia Fricke wird dort eine volle Stelle besetzen, in Burkhardswalde war es nur eine halbe. Wegen der Kinder war ihr das recht. Ab 1. Juli gehört Julia Fricke der hessischen Landeskirche an, bis zum 30. Juni der sächsischen. Am Pfingstmontag hatte sie ihre letzte Taufe, heute findet in Burkhardswalde ihr Abschiedsgottesdienst statt, am 20. Juli hält Julia Fricke ihren Einführungsgottesdienst in Mossautal. Die beiden Söhne Franz und Roman haben sich ihre neue Schule schon angeschaut, auch der Kindergarten für Cornelius wurde begutachtet.

Als Familie geht alles

Julia Fricke ist in diesen Tagen nicht mehr ganz hier und noch nicht weg. Kisten, Koffer, Taschen werden gepackt. Die Burkhardswalder kann sie nicht mitnehmen, die „entspannten und freundlichen Leute“, ihre Frauenkreise, die Krippenspieler. Aber die Erinnerung an eine schöne und unvergessliche Zeit, an „so schöne Ereignisse“ – kirchliche wie die Tischabendmahle und Passionsandachten, private wie die Hochzeit und die Geburt von Cornelius.

Als Julia Fricke vor sechs Jahren nach Burkhardswalde kam, war ihre Stelle in der Nähe von Herrnhut der Strukturreform der Kirche zum Opfer gefallen. Damals wusste sie das vorher. Diesmal ist es ähnlich. Nur hätte sie gedacht, etwas länger bleiben zu können. Das macht ihr zu schaffen. „Aber wenn man als Familie zusammenbleibt, kann man überall sein.“