Wenn der Darm nicht so recht arbeiten will, dann müssen häufig Medikamente her. Da geht es den Menschen wie den Tieren. Während der Mensch dann eine Pille schluckt, müssen Kühe, Schweine und Hühner auf den Tierarzt vertrauen. „Bei Antibiotika müssen oft lange Wartezeiten eingehalten werden, bis Fleisch, Milch oder Eier wieder verkauft werden können“, sagt Hartmut Knauf, Geschäftsführer des Pharmawerks Weinböhla. Sein Betrieb setzt daher seit vier Jahrzehnten auf eine schonende Alternative: Huminsäure.
„Durch die natürliche Huminsäure werden die Bakterien in Magen und Darm nicht völlig abgetötet, sondern nur reduziert“, erklärt Knauf. Häufig könnte sich das Immunsystem des Körpers danach schon wieder allein zur Wehr setzen. In anderen Fällen, etwa bei hochinfektiösen Krankheiten, führe dagegen kein Weg an Antibiotika vorbei. Huminsäure ist ein Naturprodukt. Gewonnen wird das mysteriöse, schwarze Pulver aus abgestorbenen Pflanzen, die innerhalb von 60 Millionen Jahren zu Braunkohle geworden sind.
120 Mitarbeiter zu DDR-Zeiten
Alles begann 1923 mit der Gebeka, der Gesellschaft zur Bekämpfung von Kleintierkrankheiten. Zu DDR- Zeiten arbeiteten unter dem Namen VEB Tierarznei zeitweise 120 Mitarbeiter für den Betrieb. Ab 1967 wurde in Zusammenarbeit mit der Karl-Marx-Universität in Leipzig an der Herstellung von Huminsäure geforscht.
Der heute 64-jährige Hartmut Knauf wuchs in der Weinböhlaer Betriebsstätte auf und kam so unweigerlich zur Chemie. 1993 sicherte er sich das Unternehmen von der Treuhand, zusammen mit allen Forschungsergebnissen – und der Zulassung. „Ein Glück“, sagt Knauf, „denn heute würde allein ein Gutachten über die Unbedenklichkeit eine halbe Million Euro kosten.“
Jedes andere Unternehmen müsste nun die Grundlagenforschung bei Null beginnen, da die Zulassung wie ein Patent wirkt. Bis zum Jahr 2019 kann die Konkurrenz dem Weinböhlaer Pharmawerk daher nur schwer seine Nische streitig machen. Bislang hätte das auch kaum jemand versucht, weiß Knauf aus sicherer Quelle. Sein Schwiegersohn arbeitete in den USA für die amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde.
Rund 30 Tonnen Huminsäure lässt der Betrieb mit einem Jahresumsatz von etwa zwei Millionen Euro derzeit in verschiedenen mitteldeutschen Braunkohletagebauen produzieren. Die Abnehmer kommen aus ganz Deutschland, Österreich, der Schweiz und Israel. „In Deutschland sind wir noch nicht bekannt genug“, sagt Knauf. Seit drei Jahren sind hier firmeneigene Produkte wie „Activomin“ auf dem Markt, die statt Kühen dem Menschen bei Verdauungsproblemen helfen sollen.
In der Schweiz dagegen werde heute dreimal so viel verkauft, wie hierzulande. „Hier sehen wir noch sehr gute Entwicklungschancen“, sagt Knauf. Im Vergleich zur Tiermedizin sei der Markt deutlich lukrativer, allerdings daher auch umkämpfter. Seine 2000 Quadratmeter Betriebsfläche will Knauf vorerst nicht erweitern, ans Aufhören denkt er mit 64 aber noch lange nicht. „Das dauert noch ein paar Jahre“, sagt er. „Ich habe noch einen Kredit laufen.“ Henry Berndt