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Corona-Demo in Pirna: Angriffe auf Polizisten

Eine Versammlung von Gegnern der Corona-Maßnahmen endete mit gewalttätigem Gerangel. Ein Polizist wurde verletzt. Die Szenen im Video.

Von Franziska Klemenz
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Immer wieder kam es in der Pirnaer Innenstadt am Mittwoch zu Eskalationen zwischen Polizei und Demonstrierenden.
Immer wieder kam es in der Pirnaer Innenstadt am Mittwoch zu Eskalationen zwischen Polizei und Demonstrierenden. © Franziska Klemenz

Bei einer unangemeldeten Demonstration in Pirna sind am Mittwochabend etwa 30 Menschen mit Gewalt gegen die Polizei vorgegangen, ein Beamter wurde verletzt. Dass die Polizei ihren Einsatz so zusammenfassen würde, hätte sie offenbar selbst nicht erwartet.

Es hätte durchaus ein ruhiger Abend werden können, zwei Tage, bevor die Menschen ihr Wochenende wieder in Restaurants und Bars einläuten dürfen, weil weitere Beschränkungen wegfallen. Vergangenen Mittwoch hat die Polizei die Demonstration gegen Corona-Auflagen in Pirna noch mit 200 Kräften begleitet, eine Woche später bewachen einige wenige den zunächst leeren Marktplatz.

Gegen 18.45 Uhr säumen ihn allmählich einige Menschen. Plakate mit Parolen tragen nur einzelne, die meisten essen Eis, trinken Bier, reden. An diesem Mittwoch ist keine Demonstration angemeldet, Postings im Internet fordern Menschen zu einem Spaziergang auf.

Bekannte Gesichter aus der Neonazi- und Hooligan-Szene sind ebenso dabei wie ein Aluhut-Träger, Rentnerinnen und Rentner, die einen Mangel an Meinungsfreiheit beklagen oder Menschen, die eher unauffällig erscheinen. Die Jüngsten liegen noch im Kinderwagen. Alle Altersgruppen sind vertreten. Masken trägt fast ausschließlich die Polizei.

In unserem täglichen News-Update im Podcast CoronaCast schildert Reporterin Franziska Klemenz, was bei der Demo in Pirna passierte.

Gegen 19 Uhr beginnen die Demonstrierenden ihren Marsch durch die Innenstadt, der als unangemeldete und damit illegale Versammlung gilt. Eine Kundgebung gibt es nicht, an mehreren Stellen versuchen Beamte, die nach Polizeiangaben etwa 200 Teilnehmenden aufzuhalten.

Neben dem noch geschlossenen Restaurant Meridas in der Langen Straße kommt es zu ersten Auseinandersetzungen, als die Polizei den Weg versperrt. Ein Teilnehmer mit weißen Haaren ruft: „Seid ihr wahnsinnig, ihr jungen Rotzer?“ Dann fragt er die Beamten, ob sie „Merkels Schergen“ seien.

Ein Mann im weiß-grau gefleckten Camouflage-Pulli brüllt die Beamten an, es kommt zum Gerangel zwischen ihm, anderen Demonstrierenden und etwa zehn Polizisten. Er beschimpft eine Beamtin als „Fotze“, der Demonstrations-Zug setzt sich fort, eine Gruppe belegt die Polizisten mit „Schämt euch“-Rufen.

Polizistinnen und Polizisten versuchten am Mittwochabend, die Versammlung einzudämmen. Teilnehmer versuchten immer wieder, deren Kette zu durchbrechen.
Polizistinnen und Polizisten versuchten am Mittwochabend, die Versammlung einzudämmen. Teilnehmer versuchten immer wieder, deren Kette zu durchbrechen. © SZ

Im Laufe des Abends kommt es zu weiteren derartigen Situationen. Menschen drängen sich an den Beamten vorbei oder versuchen es, skandieren Parolen wie „Widerstand“, bestärken, bejubeln oder beruhigen einander.

Manche stemmen oder werfen sich gegen Beamte. Immer wieder versuchen einzelne Männer, aber auch Rentner-Ehepaare, die Reihen der Polizei zu durchbrechen. In der Grohmannstraße versuchen Beamte an mehreren größeren Eskalations-Herden, die Versammlung einzudämmen. Untereinander besprechen sie ihre Strategien, fragen einander, ob es sich hier noch um Einzeltäter handle, die man herausziehen könnte.

Gegen 20 Uhr verliert die Versammlung an Dynamik. Einige verlassen die Demonstration, ein anderer Zug setzt sich in die Gassen der Innenstadt fort, wo die Polizei erste Teilnehmer wie den Mann in Camouflage festhält, Personalien aufnimmt. Protest gibt es auch dagegen, die Gewalt ist aber weitgehend abgeflaut.

Von 30 Gewaltbereiten spricht die Dresdner Polizeidirektion nach Einsatzende, die „an der Spitze der Gruppe die Einsatzkräfte attackiert“ hätten. Acht Strafverfahren habe man eingeleitet, wegen Landfriedensbruchs, tätlicher Angriffe gegen Vollzugsbeamte, Widerstands und Beleidigung. Ein Beamter sei verletzt worden, rund 190 waren im Einsatz. „Das Gros dieser Gruppe verhielt sich friedlich“, heißt es von Einsatzleiter Hendrik Schlicke. Gleichzeitig gebe es zu denken, „dass etwa 30 Personen aus dieser Gruppe gezielt Polizeibeamte angriffen.“

Aufgeheizt, teils aggressiv war die Stimmung auf den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen in Pirna schon früher. Eine Demonstration im April hat der AfD-Kreisrat und Polizist Steffen Janich angemeldet, wegen massenhafter Verstöße gegen die Auflagen hat die Polizei Ermittlungen gegen ihn eingeleitet. Bei einer anderen Demonstration wurden drei Polizisten leicht verletzt.

An der Demonstration am vergangenen Mittwoch nahmen neben Kundgebungs-Redner Tim Lochner, Stadtrat der AfD, unter anderem der sächsische AfD-Generalsekretär Jan Zwerg oder das Freitaler Mitglied der Jungen Alternative, Jan Endert, teil.

Vor einer Woche endete der Abend mit versprenkelten Auseinandersetzungen einzelner Demonstranten, etwa aus dem Sympathisantenkreis der Gruppe Freital, mit der Polizei. Diesen Mittwoch, so auch das Resümee der Polizeidirektion, hat Pirna den bisher aggressivsten Protest gegen Corona-Auflagen erlebt.

Vor den Ereignissen in Pirna hatte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer die Teilnehmer bei Corona-Demonstrationen gegen pauschale Kritik in Schutz genommen. „Ich respektiere, dass Menschen demonstrieren und warne davor alle Proteste in einen Topf zu werfen“, sagte der Regierungschef im Gespräch mit Sächsische.de.

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