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Pläne zur Ortsumgehung Gröditz stoßen auf Skepsis

Das Straßenbauprojekt schien beerdigt. Nun will es der Landkreis ausgraben. Politiker aus der Stadt hegen jedoch Zweifel.

Von Eric Weser
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Die Bundesstraße 169 zwischen Gröditz und Prösen.
Die Bundesstraße 169 zwischen Gröditz und Prösen. © Eric Weser

Gröditz. Da fehlen einem die Worte. Beinahe fassungslos hatte sich der Gröditzer Bürgermeister Jochen Reinicke (parteilos) vor fast genau drei Jahren geäußert, als publik geworden war, dass eine B-169-Ortsumgehung für die Stadt kein Thema mehr ist. 

Das jahrelang als vorrangig eingestufte Projekt fand sich 2016 plötzlich nicht mehr im damals neu aufgestellten Bundesverkehrswegeplan. Zwar hatte Sachsen das Vorhaben beim Bund angemeldet. Dort fand man das Vorhaben aber offenbar nicht wichtig genug und strich es. 

In Gröditz zeigte man sich enttäuscht bis verschnupft über diese unerwartete Entwicklung. Stadtchef Jochen Reinicke kündigte aber an, das letzte Wort zum Thema sei noch nicht gesprochen. – Das hat sich bewahrheitet. Der Landkreis Meißen hat in einer Beschlussvorlage für den Kreistag kürzlich den Neubau der Gröditzer B-169-Umgehung gefordert. 

Diese und auch die B-101-Umfahrung für Großenhain müssen aus Sicht der Kreisverwaltung zunächst in den Landesverkehrsplan für Sachsen „aufgenommen und gegenüber dem Bund vertreten werden“, heißt es in der Stellungnahme des Kreises zum Landesverkehrsplan 2030, der die Kreisräte vorige Woche zugestimmt haben. 

© SZ-Grafik

Mithilfe des Straßenausbaus sollen die Wirtschaftsräume „Industriebogen Region Dresden“ und „Westlausitzer Braunkohlerevier“ besser verbunden werden. „Dadurch können ... qualifizierten Arbeitskräften in den vom Strukturwandel betroffenen Räumen gut zu erreichende Industriearbeitsplätze in den Industriestandorten ... Riesa, Nünchritz und Zeithain ... geboten werden“, argumentiert das Landratsamt.

Für Gröditz’ Stadtchef Jochen Reinicke kommt der Vorstoß des Kreises zum jetzigen Zeitpunkt überraschend, macht er deutlich. Die Pläne des Kreises kenne er nicht im Einzelnen. Mit ihm habe man darüber nicht gesprochen, so Reinicke. Er unterstütze aber die Initiative. Doch er sei auch skeptisch. „Das Jahr, wann etwas passieren soll, wäre interessant.“ Schließlich sei der Bundesverkehrswegeplan beschlossen und gelte bis 2030. 

Reinicke glaubt außerdem nicht, dass für die Lausitz gedachtes Geld in den Straßenausbau im nördlichen Kreis Meißen fließt. Für den Strukturwandel sollen früheren Berichten zufolge 40 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Die Lausitzer würden um das Geld kämpfen, ist sich Reinicke sicher, der sich auch dafür ausspricht, dass die Gelder dort zur Stärkung der Region ausgegeben werden. Arbeitskräfte abzuziehen halte er nicht für zielführend. Angesichts einer möglichen CO2-Steuer aufs Autofahren sei außerdem fraglich, ob künftig jemand mit dem Auto aus der mehr als 50 Kilometer entfernten Lausitz zum Arbeiten hierher pendle.

Skeptisch äußert sich der Gröditzer Kreisrat Ulrich Keil (Linke). Er hat zwar nach eigenen Angaben der Kreistagsvorlage zugestimmt. Man müsse die Sache aber realistisch sehen, so Keil, der auch Stadtrat ist. Gröditz habe sich vor fast 20 Jahren für die Ertüchtigung der innerstädtischen B 169 entschieden. „Damit war klar, dass wir eine Umgehung nicht mehr erleben werden.“ Zwar habe Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) im Zusammenhang mit dem Strukturwandel in der Lausitz versprochen, dass Straßenbauprojekte mittels spezieller Planungsgesetze binnen zehn Jahren realisiert werden sollen. 

Auch von der Milau, der Mitteldeutschland-Lausitz-Verbindung von Halle, Leipzig, über Torgau nach Hoyerswerda und Weißwasser ist dabei die Rede. An diese würde eine Gröditzer Umgehung quasi andocken. Viele Projekte, für die es in der Lausitz Geld brauche, befänden sich aber direkt in der Braunkohleregion und nicht in Randlage wie die Gröditzer Umgehung, so Keil. Dort werde das Geld eher gebraucht. Ob in zehn Jahren, wenn die Straße fertig sein könnte, noch Fachkräfte übrig seien, die hierher pendeln, sei eine weitere Frage.

Doch Ulrich Keil meint auch: „Wenn man es nicht angeht, wird es nie.“ Insofern bestehe jetzt für die schon abgeschriebene Gröditzer Umgehung vielleicht auch eine Chance.