Von Jenny Ebert-Thümmler
Er war der große Unbekannte. Ja, ihre Schule heißt so, das wussten die Achtklässler über Philipp Melanchthon. Aber ansonsten? Schulterzucken. Jetzt ist das anders. „Er war Lehrer aus Leidenschaft und hat Lehrbücher geschrieben“, ruft ein Schüler. „Und er hat Schulen gegründet und Schulordnungen gleich dazu gegeben“, meint ein anderer.
Lexikon kontra Internet
Auf den Tischen vor den Schülern liegen große Plakate mit Fakten zu Melanchthon. Andere tüfteln noch am Computer. Überall in den Räumen der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften (OLB) auf der Arndtstraße sitzen die Achtklässler verteilt. Die Idee für diese Zusammenarbeit kam von Bibliothekarin Karin Stichel. „Als wir noch auf der Neißstraße waren, lief die Zusammenarbeit mit den Gymnasien immer sehr gut, auch wegen der räumlichen Nähe“, erklärt sie. „Jetzt, in unserem Ausweichquartier, wollen wir die Nähe zu anderen Schulen nutzen.“ Und was läge da näher, als den Melanchthonschülern ihren Schulvater näher zu bringen?
Jeweils zwei Tage haben die beiden achten Klassen in der OLB verbracht. Eine Bibliothek als solche war keinem fremd, eine wissenschaftliche schon. Die Arbeit mit Lexika und jahrzehntealten Schriften kannten in Zeiten von Internetsuchmaschinen und Online-Lexikon nicht alle Schüler. „Nach Anfangsschwierigkeiten kamen die Schüler gut klar“, sagt Lehrerin Theresia Walter, die mit ihrer Klasse zum ersten Mal ein solches Projekt macht. Die altdeutsche Schrift sei unter anderem ein Problem gewesen. In Gruppen haben sich die Jugendlichen mit Melanchthon als Lehrer, als Reformator, mit seinem Wirken in der Oberlausitz und seinen Schriften befasst.
Während die eine Klasse noch an ihren Schautafeln arbeitet, sitzt die andere in der Melanchthonschule und kämpft mit der Kreativität. Schauspieler und Buchautor Thomas-Johannes Hauck aus Berlin führt mit den Schülern als zweiten Teil der Projektwoche einen Kreativworkshop durch. Es sollen Plakate entworfen werden, die ins Auge stechen, in den Text ziehen – und möglichst sinnlos sind. „Es sollen verrückte Dinge sein“, erklärt Hauck, „die Schüler sollen nachdenken, erfinderisch und einfach mal total unnormal sein.“ Wenngleich dem ein oder anderen das nicht leicht gefallen ist, hängen nun zahlreiche Poster im Schulhaus. Vor dem zu langen Blick in den Himmel wird dort beispielsweise gewarnt, weil sonst Renovierungsarbeiten nötig sind. Und vor einem Orkan im Viervierteltakt. Andere Schüler haben Buchstaben in Spiegelschrift geschrieben.
Auch fürs Leben gelernt
Einig sind sich die Achtklässler alle in einem, wie eine Umfrage in der Klasse schnell ergibt: Es hat Spaß gemacht. Sowohl das wissenschaftliche Arbeiten als auch das kreative Texten. „Wir haben gelernt, dass es immer noch ein bisschen besser geht und dass das mit der richtigen Motivation sogar Spaß macht“, sagt einer der Jugendlichen als Fazit. Eine Mitschülerin meint leise: „Ich habe gelernt, mit Kritik umzugehen.“ Und: Melanchthon ist nun nicht mehr der große Unbekannte.