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Planwagen und Ochsenkarren – Siedler schlagen in Grillenburg ihr Lager auf

Geschichte. Gestern machte ein historischer Besiedlungszug hinter dem Schloss Halt.

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Von Annett Heyse

Die Grillenburger und einige Ausflügler staunten gestern Nachmittag nicht schlecht. Plötzlich ratterten Pferdegespanne und Ochsenkarren über die Straße, Menschen in sackartigen Gewandungen schritten einher. Insgesamt 180 Leute mit Hab und Gut, alles auf Planwagen verpackt, zogen auf die große Wiese hinter dem Schlossteich und schlugen für eine Nacht ein Wagenlager auf. Der historische Besiedlungszug kam aus Niederbobritzsch und ist heute auf der Weiterreise nach Reinsberg.

Andreas Vogel klappt den Deckel seiner Holzkiste auf. Hämmer, verschiedene Zangen und ein Nageleisen kommen zum Vorschein. Der Schmied nimmt die Werkzeuge und hängt sie an seiner Feldschmiede auf. Sein Tag beginnt jetzt erst richtig, während alle anderen sich den Staub aus den Gesichtern wischen, baden gehen oder ein Bier trinken. „Irgend etwas geht immer kaputt. Gestern Abend haben wir fast bis Mitternacht einen Wagen repariert“, berichtet er und ordnet seine Utensilien. Andreas Vogel ist im wahren Leben gelernter Maurer, kommt aus der Nähe von Leisnig und macht zum zweiten Mal beim Zug mit.

Damit gehört er noch zu den Novizen, denn den „Historischen Besiedlungszug“ sowie den gleichnamigen Verein gibt es schon 13 Jahre. Jeden Sommer ziehen die Vereinsmitglieder, Verwandte und Mittelalterfreunde auf den Spuren unserer Vorfahren durch Sachsen.

1156 war es, als Otto von Wettin Franken, Thüringer, Niedersachsen und Flamen aufrief, als Siedler in die Mark Meißen zu kommen. Mit einem Lokator an der Spitze machten sich arme Bauern und die beim Erbe leer ausgegangenen dritt- oder viertgeborenen Söhne auf den Weg. In harter Arbeit rodeten sie den Urwald und legten Waldhufendörfer an, die sie auf Jahre zinsfrei bewirtschaften durften. „Wir wollen an diese Zeit erinnern, sie nacherleben“, sagt Franko Beck. Er ist 44 Jahre alt und der Lokator, also der Chef. Übrigens seit dem ersten Zug 1994. Jeden Tag gibt es einen Abschnitt zwischen 15 und 20 Kilometer Länge, die von den meisten Teilnehmern zu Fuß zurückgelegt werden. Die müssen für das Vergnügen 250 Euro bezahlen, bekommen dafür drei Mahlzeiten am Tag, Getränke und einen Schlafplatz im Zelt.

Im Schatten neben einem Planwagen haben es sich fünf Leute bequem gemacht. Sie sind um die 40 und kommen aus dem Großraum Chemnitz. Sie alle machen seit acht oder neun Jahren mit. Weiter hinten steht Roland Henz und schirrt die Ochsen aus. „Allgäuer sind das, die wir für die Reise beschlagen haben“, erklärt er. Er ist 53, Tierpfleger in der Nähe von Marienberg und hat Urlaub genommen.

Im Tharandter Wald ist der Siedlerzug zum ersten Mal. „Bisher sind wir immer an der Zschopau, entlang der Striegis und der Flöha unterwegs gewesen“, sagt Franko Beck. Vielleicht führt der Zug im nächsten Sommer wieder durch hiesige Gegenden. Gestaunt werden darf dabei auch weiterhin.