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Pleite auf Raten

Schuldenfalle. Wenn die Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können, ist rasche Hilfe nötig. In Görlitz suchen mehr als 200 Menschen Beratung.

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Von V. BernauundC. Pollmer

Eigentlich ist jeder verschuldet. Da ist die Rate für den Computer, dort ein Kredit fürs Auto. Ganz normal. Doch der Absturz in die Zahlungsunfähigkeit geht rasant. Plötzlich ist etwa die Arbeit weg – und die Raten können nicht mehr bezahlt werden. Dann droht schlimmstenfalls der Gerichtsvollzieher.

„Jedes Jahr verzeichnen wir neue Rekorde“, sagt Andreas Kuhn von der Schuldnerberatung der Caritas – und klingt dabei doch etwas traurig. Rund 350 Klienten hatte er im vergangenen Jahr. Im Juni dieses Jahres war die 200 bereits weit überschritten. 1 600 Sachsen befanden sich allein in den ersten vier Monaten des Jahres in der Privatinsolvenz. Sie gelten als zahlungsunfähig, weil ihre Ausgaben das Vermögen und das Einkommen weit übersteigen.

Hartz IV ist Hauptursache

„Zu uns kommen Menschen aus allen Schichten“, sagt Kuhn und umreißt das Spektrum derer, die bei ihm das Gespräch suchen: Der Langzeitarbeitslose, der vom Existenzminimum lebt; der geprellte Unternehmer, der privat für seine Firma haftet; das gut verdienende Ehepaar, das einen Kredit fürs Haus aufgenommen, Streit und Scheidung in der Finanzplanung aber nicht vorgesehen hat.

Rund 70 Prozent seiner Klienten seien arbeitslos, sagt Kuhn und verweist darauf, dass der Anteil im vergangenen Jahr noch bei etwa 50 Prozent lag. Eine wichtige Ursache für die zunehmende Verschuldung sieht Kuhn in den Neuerungen, die mit den Hartz-IV-Gesetzen kamen. „Mit dem Arbeitslosengeld II ist zwar der Betrag, den Bedürftige erhalten, gegenüber der früheren Sozialhilfe leicht gestiegen“, erläutert er, „aber die Leistungen, die es umfasst, sind geringer geworden.“ Für Möbel und Bekleidung etwa konnte früher zusätzliche Unterstützung beantragt werden. Die gibt es jetzt nicht mehr.

Nicht wenige, so die Beobachtung von Andreas Kuhn, haben zudem Kredite aufgenommen – und dabei im Fall der Arbeitslosigkeit auf das an den früheren Verdienst gekoppelte Arbeitslosengeld gesetzt. Die Hartz-Reformen haben ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht.

„Wir versuchen, den Menschen zu vermitteln, dass sie sich ein Polster für die Zukunft anlegen müssen“, sagt Kuhn. Keine leichte Aufgabe, da bei vielen die Ersparnisse schon für die in der Vergangenheit angehäuften Schulden drauf gehen. An Rücklagen für die Zukunft ist da kaum zu denken.

Die Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien hat indes keine großen Veränderungen bei der Nachfrage nach Krediten gegenüber dem Vorjahr festgestellt. Im ersten Halbjahr 2006 wurden in Görlitz Kredite über 1 Million Euro an Privatkunden ausgegeben. „Damit erfüllen sich die Kunden in erster Linie den Traum vom neuen Auto oder von einer neuen Wohnungseinrichtung“, sagt Sprecherin Katrin Sumpf.

Entschuldung dauert Jahre

Viele suchen das Gespräch mit der Schuldnerberatung erst, wenn der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht oder die Ehe in die Brüche gegangen ist. „Die meisten kommen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“, bestätigt Kuhn.

Die Entschuldung geht dann nicht von heute auf morgen. Zu analysieren, wo und wie viele Schulden vorhanden sind, einen Haushaltsplan zu erstellen und Gläubiger wie Versandhäuser, Inkassounternehmen oder Vermieter zu benachrichtigen, ist ein Prozess, der sich oft über mehrere Jahre erstreckt.

„Die schlechte Wirtschaftslage wirkt sich auch auf die Gläubiger aus“, zeigt sich Kuhn überzeugt. Die Verhandlungen seien schwieriger geworden. Früher habe er oft bessere Angebote machen können.