Von Beate Erler
füMoritzburg. „Wer schön sein will, muss leiden.“ Dieses alte Sprichwort hatte vor 200 Jahren noch eine ganz andere Bedeutung für die Damenwelt. Die Prozedur begann jeden Tag aufs Neue: Hemd, Schnürbrust – heute bekannt als Korsett –, Rock, Vorderteile, Ärmel. Allein die Ankleiderei dauerte zwei Stunden.
In den ehemaligen Wohnräumen der Prinzessin im Schloss Moritzburg steht ein kleiner Hofstaat und lauscht Angelika Graf bei ihrer Schlossführung. Das Besondere: Die Gäste sehen aus wie aus der Zeit gefallen. Sie tragen die Kostüme, die so wirken, als hätte Friedrich Augusts Frau sie höchstpersönlich angehabt. Das Schöne: Das Ankleiden hat für alle 13 Teilnehmer insgesamt nur eine Stunde gedauert. Jetzt flanieren sie erhobenen Hauptes durch das Wochenendschloss Augusts des Starken, wie es Angelika Graf nennt. Kleider machen eben doch Leute.
Das Schloss Moritzburg hat das Angebot der Kostümführungen erweitert. Auch Erwachsene dürfen nun in die edlen Gewänder schlüpfen. Kürzlich gab es jeweils zwei Kostümführungen für die ganze Familie. Die Veranstaltungen waren ausgebucht. „Viele Eltern fanden es schade, dass sich nur ihre Kinder verkleiden durften. Deshalb bieten wir die Kostümführungen jetzt auch für die erwachsenen Begleitpersonen an“, sagt Angelika Graf, die im Schloss die Führungen für Kinder macht. Mit ein paar Fragen, die die Neugier wecken, hat sie die Besucher bald für sich gewonnen. „Wir gehen jetzt in den Fundus. Der ist unsere Zeitreisemaschine, und dort verwandeln wir uns in einen Hofstaat“, flüstert sie den Kindern ins Ohr.
Der Fundus ist, nach der Begrüßung am Schlosseingang, die erste Anlaufstelle für die Gäste. Eine schmale Treppe führt hinauf in die erste Etage in einen kleinen Raum, vollgestellt mit Kleiderständern. Auf denen hängen sorgfältig verpackt die Kostüme. Ein kleines Foto zeigt jeweils, was sich unter der Verpackung verbirgt. Dann hat Angelika Graf alle Hände voll zu tun. Sie alleine verwandelt die Teilnehmer in Prinzen, Ritter, Hofdamen und Prinzessinnen. So auch die siebenjährige Teresia. Die feiert heute ihren Geburtstag, und die Kostümführung im Schloss ist ein Überraschungsbesuch.
Zuvor ist die junge Dame mit ihren Gästen standesgemäß in einer Pferdekutsche vorgefahren. Teresia hat fünf Schulfreunde mitgebracht. Sie ist die Erste, die sich verkleiden darf, und hat sich für ein strahlend-weißes Kleid aus Seide mit beigefarbenem Besatz entschieden.
Nach und nach verwandeln sich auch die anderen Gäste. Vor allem die Damen müssen beim Treppensteigen aufpassen, dass sie nicht auf ihre Kleider treten. Dann beginnt die eigentliche Führung durch das Schloss. Angefangen im Steinsaal, der seinen Namen dem Fußboden aus Sandsteinplatten verdankt. Er ist der prächtige Flur des Schlosses mit einer riesigen Geweihsammlung an den Wänden. Weiter geht es durch den Audienzsaal. „Auf den vier Gemälden in diesem Raum ist die Göttin Diana zu sehen. August der Starke hat sie sehr verehrt“, erklärt die Museumsführerin den Besuchern. Nach dem einstündigen Rundgang ist es dann jedoch an der Zeit, in die Gegenwart zurückzukehren. Die Gäste schlüpfen aus ihren Kostümen und verlassen die Zeitreisemaschine mit einer kleinen Ahnung vom königlichen Leben vor 200 Jahren.
Die nächste Kostümführung für Erwachsene gibt es am Sonntag, dem 22. Juni, 11 Uhr. Eine Anmeldung ist erforderlich unter 035207 87318.