Von Ulrike Keller
Die Plossen-Umleitung lässt ihn nicht los. Am Sonnabendmittag läuft Linken-Stadtrat Andreas Graff die Nadelöhre ab. Nach seiner scharfen Kritik an der Stadt will er es wissen: Wiederholt sich das Chaos der vergangenen Woche, oder haben die Verantwortlichen am Umwege-Wochenende Nummer zwei eine optimierte Verkehrslösung gefunden und ausgeschildert. „Das muss vernünftig zu regeln sein“, sagt er. „Schließlich sind die fünf Mal jetzt wie eine Generalprobe für die Zeit, wenn der Plossen für zwei Jahre gesperrt wird.“

Er startet an den Neumarkt-Arkaden, marschiert auf kürzestem Weg zum Kleinen Plossen. Ein aufgestelltes Schild besagt: Einbahnstraße. Die Bahnschranke senkt sich. Im Nu bilden wartende Autos eine Schlange, fast bis zur Poststraße. Vor den Gleisen: zwei Verkehrsschilder. Das eine verweist auf ein absolutes Halteverbot, das andere auf das Vorrecht des Entgegenkommenden. „An dieser Stelle sind beide unnütz und kosten Geld“, kommentiert Graff. Die Schranke gewährt Durchlass. Kleinwagen und Kleinbus nehmen den beträchtlichen Anstieg. Ein gutes Zeichen: Gegenverkehr bleibt aus. Die Beschilderung wird eingehalten. Allerdings: Laut Stadt-Sprecherin Katharina Reso ist die Umleitung für den Rettungs-, Bus- und Havarieverkehr vorgesehen, und nur für diesen. Anwohner gehören nicht in diese Kategorie. Eigentlich. „Aber für die Feuerwehr wird es hier mächtig knapp“, stellt Andreas Graff fest. Schon links und rechts des Transporters ist der verbleibende Platz nicht gerade üppig.
Der Weg mündet in die spitze Kurve der Wilsdruffer Straße. Nach unten hin verstellt eine deutlich erkennbare Absperrung die Hälfte der Fahrbahn. Ein in die Jahre gekommener VW-Bus mit Pirnaer Kennzeichen steuert auf die Lücke zu. Die Frau am Steuer ist genervt: „Ich komme aus Wilsdruff. Die Umleitungsschilder habe ich gesehen. Aber ich wollte nach Scharfenberg. Und jetzt?“ Andreas Graff setzt zur Wegbeschreibung an. Wie lang sie brauche, fragt die Frau. „15 Minuten“, veranschlagt der Linken-Stadtrat und erntet Unverständnis: „Aber die können die Leute, die hier wohnen und in die Stadt wollen, doch nicht auf 15 Minuten Umweg schicken!?“ In diesem Moment fährt ein Motorrad hinter ihnen vorbei und verbotenerweise den Kleinen Plossen hinunter, trotz Sperrscheibe. „Es müsste jemand von der Polizei hier stehen und kontrollieren“, sagt ein Anwohner.
Tatsächlich liegt die Einhaltung der Plossen-Absperrung in deren Prüf-Zuständigkeit. Auf SZ-Anfrage erklärt ein Sprecher der Polizeidirektion Dresden, die Umleitung werde überwacht. Man kontrolliere, ob die Beschilderung ordnungsgemäß sei, und fahre auch bei Hinweisen auf Probleme vorbei, wenn es die Einsatzsituation zulasse. „Was wir nicht leisten können, ist eine Standkontrolle.“ So etwas sei wenig zweckmäßig, auch, weil die Polizei dann an engen Stellen selbst den Verkehr blockiere. Der Sprecher appelliert an die Geduld der Autofahrer und an die Vernunft, den Plossen weiträumig zu umfahren.
Ein schwarzer Kombi hält an der Straßenseite. Andreas Graff ist gemeint. „Wie kommen wir runter in die Stadt“, will die Dresdner Familie wissen. „Etwa wieder zurück bis zur Autobahn?“ Der Linken-Stadtrat schüttelt den Kopf und beschreibt den Weg. Mehrfach setzen währenddessen Meißner Autofahrer an, Richtung Kleiner Plossen einzubiegen. Als sie den Politiker mit SZ-Team sehen, lenken sie flugs um.
Eine Mittfünfzigerin steigt aus einem blauen Ford, Freitaler Kennzeichen, und eilt zu Andreas Graff. „Wir fahren auch schon Kreisel“, sagt sie verzweifelt. Sie wolle ins Wellenspiel. Aber ohne Navi gerät der Ausflug zur Weltreise. Sorgen macht ihr, wie sie abends den Heimweg finden sollen. „Da fahren wir lieber gleich wieder nach Hause“, sagt die Frau, als sie von dem komplizierten Umweg hört. Andreas Graff leitet sie bis zum Goldgrund. Der ist als Einbahnstraße Richtung Triebischtal befahrbar. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von zehn Kilometern pro Stunde. Was jedoch weit und breit fehlt, ist ein Schild, das die Strecke als Umleitung ausweist. Wohl deshalb, weil die Straße von der Stadt ebenfalls nur für den Rettungs-, Bus- und Havarieverkehr gedacht ist.
Kaum ein Fahrer hält sich ans Tempo. Doch von einem Chaos wie am vergangenen Wochenende ist die Situation weit entfernt. Aus beiden Richtungen standen sich die Autos auf der beengten Straße gegenüber. Es wurde geschimpft, öfter der Mittelfinger gezückt. „Manche sind ausgestiegen und haben sich fast geschlagen, wer nun vor und wer zurück fährt“, schildert Anwohner Dietmar Weber. Auch an diesem Vormittag hat er allerdings schon absichtliche Falschfahrer beobachtet. Am Parkplatz zum Hotel Goldgrund sorgt eine Sperrscheibe für klare Verhältnisse. Mehrere Fahrer scheinen kurz zu überlegen, ob sie sich dem Schild widersetzen, wenden dann aber schnell, als sie den SZ-Fotografen ausmachen. „Es gibt Anständige, die umdrehen“, sagt Dietmar Weber. „Aber es sind die wenigsten.“ Die Polizei hat er am Sonnabendvormittag jedenfalls schon in der Nähe gesehen. Nur eine Information von der Stadt wäre sein Wunsch gewesen. Was er weiß, das stammt aus der Zeitung.
Der Linken-Stadtrat spricht von einer „Zumutung für Anwohner und Autofahrer“, was Belastung und mögliche Gefahren für Fußgänger angeht. „Wenn etwas passiert, ist es zu spät.“ Deshalb bleibt er dran. Fest steht: „Es geht nicht ohne Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme.“