Von Nadja Laske
Zur Zeltstadt fahren und sagen: Ich bin Arzt, ich kann helfen. Beinahe hätte Johannes Bittner das getan. Aber zum Glück kamen ihm Zweifel. Der 30-Jährige ist ein besonnener Mensch. Klar, sein Medizinstudium hat er erfolgreich abgeschlossen. „Aber Patienten zu behandeln, ist nicht meine Kernkompetenz“, sagt er.
Beruflich befasst sich Bittner eher mit Menschen, die bereits behandelt wurden oder zumindest eine Diagnose bekommen haben. Sie gehen in aller Regel mit einem Arztbrief heim, den ganz sicher der nächste Fach- oder Hausarzt versteht, nicht aber die Betroffenen selbst. Zusammen mit seinem Team und Hunderten Ehrenamtlichen übersetzt Johannes Bittner dieses Fachchinesisch in allgemeinverständliche Sprache. Außerdem entwickelt er Systeme, die bewirken sollen, dass künftig jeder Patient mit einem durchschaubaren schriftlichen Resümee der behandelnden Mediziner die Klinik verlässt. Damit hätte Bittner eigentlich genug zu tun. Doch seit Tagen steckt er viel Mühe in eine neue Idee. Die hängt mit seinem Wunsch, den Flüchtlingen in Dresden zu helfen, eng zusammen. „Es ging mir wie vielen anderen Leuten, die Hilfe anbieten wollen, aber nicht wissen wie.“ Und wo genau? Wann am besten? Vor allem was?
Mit Online-Portalen kennt sich Johannes Bittner aus. Es könnte doch auch eins geben, auf dem Freiwillige ihre Leistungen anbieten, überlegte er und tüftelte an einer entsprechenden Website. Seit Sonnabendnachmittag ist die nun online, und schon rund 3 000 Mal wurde sie aufgerufen. Mit ein paar Klicks sieht Johannes Bittner, was nur er als Betreiber sehen kann: 180 Menschen haben auf der Internetplattform www.ichhelfe.jetzt den Button „Hilfsangebot eintragen“ gedrückt und in ein Formular eingetragen, was derjenige wissen muss, der Hilfe braucht oder sie vermittelt.
Zeitspenden, Sachspenden und Botschaften können die Nutzer dort loswerden. Zunächst nur potenziell, bis ihr guter Wille wirklich beansprucht wird. Krankenschwestern, Organisationstalente, Auskenner in Behördenfragen und Deutschlehrer bieten ihre konkreten Dienste an. Andere Hilfsbereite werfen Stunden oder ganze Tage in die Waagschale. Ob man auch Geld spenden könne, fragt jemand an. Er würde gern etwas für Flüchtlinge tun, aber er wohne in Norwegen. Doch genau das geht nicht. „Wir haben uns bewusst gegen Geldspenden entschieden, weil es dafür genügend andere Möglichkeiten gibt“, sagt Johannes Bittner. Wir, das sind er und seine Frau Anja, mit der er reichlich Freizeit in das Projekt investiert hat. Der Helfer in der Ferne könnte indes ermutigende Worte spenden. Wer nicht tätlich zu helfen vermag, hat auf ichhelfe.jetzt die Möglichkeit, Menschen in Not mit einem Statement seine Stimme zu geben.
Hilfsorganisationen und Wohlfahrtsverbände, die in ganz Deutschland Flüchtlingshilfe planen und umsetzten, können künftig auf den Freiwilligen-Pool zugreifen. Er ermöglicht ihnen, Angebote je nach Bedarf zu nutzen. Denn Bedarfe schwanken stark, je nach Alter, Herkunft, Geschlecht neu ankommender Flüchtlinge, nach Dauer ihres Aufenthaltes und Jahreszeiten. Eins brauchen fast alle gleichermaßen: Zuwendung.