Als AfDler im alternativen Viertel

Er hat sein Ziel erreicht, er hat es in den Landtag geschafft: Platz 16 auf der AfD-Liste. Doch was Hans-Jürgen Zickler im Wahlkampf erlebt hat, erstaunte ihn. „Flugblätter mit Boykottaufrufen klebten überall in der Nachbarschaft, und es gab drei Anschläge auf das Geschäft meiner Frau.“ Heike Zickler gehört ein bekannter Tabakladen im Hechtviertel. Dort hat ihr Mann jahrelang mit hinter dem Tresen gestanden. „Aber der Laden gehörte schon immer meiner Frau“, erklärt er.
Hans-Jürgen Zickler habe immer versucht, seine politische Einstellung und das Geschäft zu trennen, sagt er. Zickler ist seit der Gründung 2013 in der AfD. Vorher war er nie in einer Partei, hat aber vor vielen Jahren mal für die DSU für den Stadtrat kandidiert. „Als Zählkandidat, weil ein Bekannter mich gebeten hat, um die Listen zu füllen.“
Zickler ist eigentlich gelernter Fährmann, 1974 hat er in Dresden ein Lehrerstudium begonnen. „Ich wurde aber ausgeschlossen. Aus Mangel an sozialistischem Bewusstsein, wie es damals hieß.“ Also hat Zickler einen Ausreiseantrag gestellt. „Das gab Stress für meine Eltern, sie sollten sich von mir distanzieren.“ Er verließ die DDR, studierte Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Tourismus, kam nach der Wende zurück nach Dresden und gründete ein Reisebüro an der Wallstraße. Die Zicklers wurden eine Familie, mit einem Sohn, und irgendwann gab es das Tabakwarengeschäft. So sagt es Hans-Jürgen Zickler.
Lautsprecherwagen vor Geschäft
Als er sich im März für die Landesliste der AfD bewarb, zog er sich aus diesem Geschäft zurück. „Zum Schutz des Ladens. Ich wusste, dass es Anfeindungen geben wird. Aber so radikal habe ich es nicht erwartet, bis hin zur Sippenhaft.“ Die Übergriffe begannen demnach in der Nacht vom 24. zum 25. März. Die Schaufensterscheibe des Geschäfts wurde mit Steinen beworfen. Zickler zählte sieben Treffer. Die Scheibe hielt, weil sie aus Sicherheitsglas ist, war aber dennoch hinüber. „Ich habe Plakate aufgeklebt, mit der Aufschrift: Wer so was macht, hat keine Argumente“, sagt Zickler. „Die wurden sofort wieder abgerissen.“
Am 2. April sei dann ein „Farbanschlag“ gefolgt, wie es Zickler nennt. Der Laden wurde besprüht, die Botschaft: „Zickler zur Hölle jagen“. Im Viertel wurden Flugblätter verteilt. „Sie hingen überall in der Neustadt, an Dachrinnen und wurden auch direkt vor dem Geschäft verteilt“, sagt Zickler. Darauf ist er namentlich erwähnt, dass er in der AfD im Vorstand ist und von Anfang an zu Pegida geht. Dazu der Aufruf: „Hiermit rate ich allen bisherigen Kunden, dieses Geschäft zu meiden und somit nicht noch länger ein Vorstandsmitglied der AfD und einen Pegidisten zu unterstützen“. Dazu habe es auch Boykottaufrufe gegen das Geschäft im Internet gegeben.
Am 5. Juli zogen schließlich mehrere Hundert Menschen durch die Neustadt. Die Demo „Kein Viertel für Nazis“ führte auch an dem Geschäft von Heike Zickler vorbei. Der Lautsprecherwagen hielt davor, und Zickler wurde ihm zufolge erneut namentlich, mit Verweis auf das Geschäft angesprochen. „Dazu wurden mein Sohn und ich als Nazis bezeichnet. Mein Sohn wurde aufgefordert, sich öffentlich von mir zu distanzieren“, sagt Zickler. „Das erinnerte mich an die Zeit meiner Ausreise aus der DDR.“
Kundschaft bleibt weg
Im August folgte das Hechtfest und Zickler zufolge die dritte Attacke auf das Geschäft. Die Rollläden des Ladens wurden eingetreten, mit Bauschaum verklebt und „Tatort Rassismus“ auf Fensterbank und Bürgersteig geschrieben. „Tagsüber wurde ein Kunde geschlagen, weil er bei mir eingekauft hat“, erzählt Heike Zickler.
Die Chefin des Geschäfts sagt nicht viel dazu, sie wirkt immer noch entsetzt. „Aber ich hatte nie Angst und würde deswegen nicht aufgeben.“ Der wirtschaftliche Schaden sei aber nicht zu leugnen. Einerseits der Sachschaden durch Zerstörungen, andererseits sei die Kundschaft weniger geworden. „Aber es sind auch viele zurückgekommen“, erklärt Heike Zickler.
Ihr Mann will sich nun im Landtag dem Thema widmen, sagt er. „Ich freue mich auf meine Arbeit. Ein Schwerpunkt wird sicher die extremistische Gewalt sein.“ Schließlich sei er selber „Opfer politischer Gewalt“. „Ich werde mich dafür einsetzen, dass politische Auseinandersetzungen immer fair und gewaltfrei erfolgen. Es darf nicht sein, dass mit staatlichen Mitteln unter dem Deckmantel ,Kampf gegen Rechts‘ versucht wird, politische Gegner mundtot zu machen.“ Zickler sagt, er habe alle Vorfälle angezeigt. Die Polizei ermittelt.
Zickler ist Unterzeichner der „Erfurter Resolution“ und gilt damit als Mitglied der als völkisch und nationalistisch eingestuften Gruppierung innerhalb der AfD, „Der Flügel“. Dieser wird vom Verfassungsschutz beobachtet, steht unter „Extremismusverdacht“. Zickler sagt, es sei keine „festgefügte Organisation“, sondern es gehe nur um dem „Zusammenhalt innerhalb der AfD“. „Ich bin nicht rechts oder irgendwie extrem, ich bin konservativ – liberal-konservativ.“