Von Michael Rasche
Ein kleines, schiefes, weißes Haus im tiefen Wald, an die eine Wand schmiegt sich ein Stall und direkt daneben ein Steinbruch: Das ist der Sommersitz des Dresdner Malers Pol Cassel gewesen. Im Sommer 1921 ist er mit seiner Familie in die Postaer Steinbrüche gezogen. Eigentlich im Dornröschenschlaf, steht das Haus nun wieder im Interesse von mehreren Wandergruppen.
Das Stadtmuseum Pirna hat am Sonnabend anlässlich der bis zum 29. Mai laufenden Pol-Cassel-Ausstellung eingeladen zu einem Spaziergang auf den Spuren des Künstlers. Gerburg Sturm vom Stadtmuseum hat zu Beginn Probleme, den Besucherandrang zu sortieren: „Mit solch großem Interesse hätten wir nicht gerechnet“, erklärt sie. Dann kommt der Star des Nachmittags zu Wort: Der seit gestern 75-jährige Constantin Cassel begrüßt die Wanderer und erzählt sofort einen Schwank aus seiner Kindheit. Das Wirken des Malers nimmt in den Köpfen der Zuhörer sofort lebendige Formen an. Gerburg Sturm hat passende Bilder dabei, es geht um das Verhältnis der Künstlerfamilie zu den Dörflern. Constantin Cassel lächelnd: „Wir durften, wenn das Essen knapp war, sogar Kartoffeln und Mais vom Feld klauen. Der Bauer wollte nur, dass wir es so machen, dass es kein anderer sieht.“
Dann geht die Wanderung los, zur Wilkeaussicht. Constantin Cassel kann der Gesundheit wegen dieses Stück nicht mitkommen. Gerburg Sturm berichtet von Robert Sterl und Elfriede Lohse-Wächtler, beide gute Freunde von Pol Cassel. Elfriede Lohse-Wächtler mietete sich sogar ein Häuschen im Nachbar-Steinbruch. Dresdner Künstlerprominenz ging ein und aus. Cassel selber kam hierher, weil das Leben auf dem Land deutlich billiger war und er die Nähe zur Natur suchte. „Das machten viele Künstler dieser Zeit – Cassel allerdings besonders intensiv“, stellt Gerburg Sturm fest. Im Winter wohnte die Familie in Stadt Wehlen. Doch gleich zu Frühlingsbeginn brachte ein Bauer mit dem Fuhrwerk die Möbel in den geliebten Steinbruch.
Als die Wandergruppe diesen erreicht, ist auch Constantin Cassel wieder zu Stelle. Er führt kurz in die Technik des Sandsteinbrechens ein und erzählt, wie gern er mit der Lore fuhr. Wenn das Geld knapp war, musste auch sein Vater hier schuften. Einen Steinwurf entfernt trifft die Gruppe auf das ehemalige Atelier und Wohnhaus des Malers. Constantin Cassel berichtet in unzähligen Geschichten aus dem Leben seiner Familie. Es ist ihm anzumerken, wie glücklich er hier war. Zum Schluss, nach über drei Stunden, lässt er es sich nicht nehmen, noch den herrlichen Ausblick über die Sächsische Schweiz zu erklären.
Am 21. Mai bietet das Stadtmuseum eine weitere Wanderung in den Cassel-Steinbruch in Begleitung des Künstlersohnes an.