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Corona-Maßnahmen: Protest in Bautzen und Kamenz

In beiden Städten wurde am 1. Mai wegen der Einschränkungen demonstriert. In Kamenz gab's Platzverweise - in Bautzen nicht.

Von Reiner Hanke & Madeleine Siegl-Mickisch
 4 Min.
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Mit dem Grundgesetz in der Hand protestierten am Freitag in Bautzen Bürger gegen die Corona-Beschränkungen.
Mit dem Grundgesetz in der Hand protestierten am Freitag in Bautzen Bürger gegen die Corona-Beschränkungen. © Carmen Schumann

Bautzen/Kamenz. So viele Menschen waren lange nicht mehr auf dem Bautzener Kornmarkt zu sehen. Angesichts der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im Zuge der Corona-Maßnahmen blieb die Platte - abgesehen von den Marktzeiten - in den vergangenen Wochen trotz des schönen Wetters meist so gut wie leer. Nicht so am Nachmittag des 1. Mai.

Seit Tagen kursierte in sozialen Netzwerken ein Aufruf zum "Spaziergang". Und so sammeln sich immer mehr Neugierige am Rande des Platzes, viele mit einem Eis in der Hand; einige mit Sonnenblende oder Mundschutz in schwarz-rot-gold. Ein älterer Mann hat ein Schild mit der Aufschrift "Merkel Maulkorb" an seinem Mundschutz befestigt, ein anderer "mundtot" auf seine Maske geschrieben. Ein Grüppchen aus Vertretern der AfD, darunter mehrere Bautzener Stadträte, diskutiert in der Mitte des Platzes - und deren Bundestagsabgeordneter Karsten Hilse am Rande mit der Polizei. Die hat sich rund um den Kornmarkt mit mehreren Fahrzeugen positioniert.

Er habe soeben eine Eilversammlung angemeldet, sagt Hilse schließlich zu den Umstehenden. Denn der "Spaziergang" ist nicht angemeldet und damit nicht genehmigt. Offizielle Teilnehmer der Versammlung seien nur die sechs Personen um ihn herum, erklärt Hilse, alle anderen nur Schaulustige.  

Hilse, der nach eigener Aussage zuvor bereits bei Kundgebungen in Görlitz und Zittau  war, verweist auf die im Vergleich zur Bevölkerungsanzahl relativ geringe Zahl von Corona-Infizierten in der Region und moniert: "Und deshalb beraubt man uns der Freiheit." Er bekommt Applaus, einige der Umstehenden halten das Grundgesetz hoch. 

Hilse kritisiert die Bundesregierung, die in der Anfangsphase der Corona-Ausbreitung zu spät reagiert habe - und jetzt den Shutdown unnötig hinauszögere. Die AfD sei die einzige Partei, die dessen sofortiges Ende fordere. "Ich will meine Freiheit zurück", ruft Hilse und fordert die Zuhörer auf, "nicht nur an der Computertastatur" Widerstand zu leisten, sondern weiter auf die Straße zu gehen. 

Die Polizisten gehen derweil immer wieder durch die Reihen und mahnen alle, die nicht zu einem Haushalt gehören, anderthalb Meter Abstand einzuhalten.  Nach einer halben Stunde - so die maximale Zeitvorgabe - löst sich die Versammlung auf.            

Um den nicht genehmigten "Spaziergang" in Bautzen zu legalisieren, meldete AfD-Bundestagsabgeordneter Karsten Hilse (r.) kurzerhand eine Eilversammlung an.
Um den nicht genehmigten "Spaziergang" in Bautzen zu legalisieren, meldete AfD-Bundestagsabgeordneter Karsten Hilse (r.) kurzerhand eine Eilversammlung an. © Carmen Schumann

Polizei nimmt Anzeigen auf

In Kamenz sind am Abend nach Polizeischätzungen etwa 60 bis 120 Bürger einem Aufruf zu einem Spaziergang auf dem Markt  gefolgt, „um gemeinsam ein Zeichen zu setzen, indem wir ohne Mundschutz, gemütlich eine Runde spazieren gehen“, so hieß es in einem Aufruf, der über soziale Netzwerke kursierte. Angemeldet war dieser Spaziergang nach Angaben der Polizei nicht.

Die hat dann auch zu tun, den Spaziergängern die Regeln zu erklären und Ansammlungen von mehr als sechs Personen zu zerstreuen - mit dem Hinweis, dass bei Verstößen gegen die Coronaschutz-Verordnung mit einem Ordnungswidrigkeitsverfahren und 150 Euro Strafe zu rechnen ist. Das sorgt bei den Demonstranten für lautstarke Proteste. Sie fordern ihre Grundrechte wie Versammlungsfreiheit ein und spotten wegen des großem Aufgebots an Polizei. Die erteilt schließlich Platzverweise und nimmt Anzeigen auf.

Im Gespräch mit Spaziergängern kommen viele Motive zum Ausdruck. Die Politik scheue sich, Fehler einzugestehen und unangemessene Einschränkungen zurückzunehmen, sagt einer. Ein weiterer: „Das ist keine Pandemie, aber die Auswirkungen auf die Menschen dramatisch.“ Die Politik mache den Menschen Angst. Eine Frau fordert wieder normale Schulbildung für die Kinder, eine andere, wieder selbstbestimmt leben zu können.

Der Kamenzer Oberbürgermeister Roland Dantz (parteilos) macht sich selbst ein Bild von den Ereignissen. Seit sechs Wochen gebe es eine Situation, in der sich die Bundes- und Landesregierung für einen größtmöglichen Schutz der Menschen ausgesprochen haben. Das sei mit erheblichen Einschränkungen verbunden, es seien extreme Härten. Er denke,  sagt Dantz, es war legitim, so zu handeln. Genauso legitim sei es aber auch, anderer Meinung zu sein: „Das muss eine Demokratie aushalten.“ Aber es sei fraglich, ob solche Spaziergänge notwendig sind. 

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