Von Sven Görner
Ihre Schuhe haben sie fein säuberlich an der Tür abgestellt. Nur auf Socken bewegen sie Schlossrestauratorin Gabriele Hilsky und ihr Kollege Andreas Schulz vom Landesamt für Denkmalpflege durch das Zimmer. Denn auf dem Fußboden des als Damenbildniszimmer bekannten Raumes liegt unter einem großen Aluminiumrahmen die Ledertapete für die Fensterfront.
Rund 300 Jahre ist sie alt und stammt, wie noch einige andere auf Schloss Moritzburg, aus Venedig. In den vergangenen Jahren wurde die aus etwa 45 mal 65 Zentimeter großen Ziegenhäuten gefertigte Wandbespannung restauriert. „Ab September sollen die Besucher das Zimmer bei ihrem Schlossrundgang wieder besichtigen können“, sagt Hilsky. Die Gemälde, die ihm seinen Namen gaben, wird man dann allerdings vergebens suchen. Künftig sollen die Besucher dort vor allem die Ledertapeten bewundern können.
Doch nicht nur das. „Da wir in diesem Zimmer gleichzeitig die original erhaltene Holzpaneele zeigen, kann der Besucher hier einen Eindruck gewinnen, wie es im Barock im Schloss ausgesehen hat“, erzählt Schulz. Ursprünglich hing die jetzt restaurierte Ledertapete allerdings im Obergeschoss und kam erst am Ende des 19. Jahrhunderts an ihren jetzigen Ort. „Insgesamt waren einmal 60 Räume von Schloss Moritzburg mit Leder bespannt“, sagt der Restaurator. In den 1930er-Jahren wurde dann ein erheblicher Teil an den Wawel in Krakow (Krakau) verkauft. Dort schmücken sie sieben Säle. Schwere Schäden und Verluste gab es am Ende des Zweiten Weltkrieges. Riesige Schnitte, ganze Teile fehlten.
„In der Nachkriegszeit wurde dann so gut es damals ging versucht, die Schäden zu beheben“, sagt Schulz. Große Fehlstellen wurden mit Gemälden abgedeckt, kleinere mit anderen Lederstücken geschlossen, Risse und Schnitte verklebt. „Als 1987 mit dem Abnehmen der Ledertapeten begonnen wurde, musste ein spezielles Kartierungssystem erarbeitet werden, um das gewaltige Puzzle wieder richtig zusammen zu setzen“, erinnert sich Schulz, der das System mit entwickelte. Fündig wurden die Restaurtoren auch im Depot des Schlosses, wo weitere Ledertapeten lagern, von denen die schönsten in den nächsten Jahren den Besuchern wieder erlebbar gemacht werden sollen. Doch selbst ohne die Depotreserven verfügt Moritzburg über den weltgrößten geschlossenen Bestand an Ledertapeten. 13 Ausstellungs-, Arbeits- und andere Räume sind damit ausgestaltet.
Obwohl die Restauratoren das Puzzle akribisch zusammenfügten, ließen sich nicht alle Verluste ausgleichen. Kleine Stellen wurden nachgearbeitet, was nicht ganz einfach war, ist doch die Ledertapetenherstellung seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ausgestorben. Schulz: „Wir haben das Leder mit Eisenstempeln punzieren und auf barocke Art versilbern.“ Dennoch musste eine Wand ganz aufgegeben werden. Die konservatorisch ungünstigste wird künftig mit einem geprägten Seidenstoffe bespannt.
Damit mechanische Schäden an den Ledertapeten in den nächsten Jahrhunderten möglichst nicht mehr auftreten, hat Andreas Schulz einen speziellen Alurahmen entwickelt. Über ihn wird das Leder gespannt und beweglich gelagert. So kann es Temperaturschwankungen ausgleichen. „Ursprünglich brachten die Tapeten Feuer in den Raum“, sagt Schulz. „Das wird auch nach der Restaurierung nicht mehr so sein.“ Dem im Wege stehen die chemischen Prozesse, die sich in den Farben auf dem der Leder abspielen. „Unser Ziel war eine präventive Restaurierung, um weitere Schäden zu verhindern. Die Tapeten sollen solch einen Zustand erreichen, als wären sie 300 Jahre an der gleichen Stelle geblieben.“