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Quicklebendiges Faultier 

Zum zweiten Mal lud der Zoo zum Morgen-Spaziergang ein. Etwa dreißig Besucher erlebten den frühen Alltag der Tiere.

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„Hast du was Fressbares für mich?“ – Hoyerswerdas Zoo-Faultier Carlos nimmt auch ein „Nein, leider nicht“ ganz gelassen auf. Zu seinem entspannten Lebensstil gehört das Sich-über-schlichtweg-gar-nichts-Aufregen einfach dazu.
„Hast du was Fressbares für mich?“ – Hoyerswerdas Zoo-Faultier Carlos nimmt auch ein „Nein, leider nicht“ ganz gelassen auf. Zu seinem entspannten Lebensstil gehört das Sich-über-schlichtweg-gar-nichts-Aufregen einfach dazu. © Foto: Silke Richter

Von Silke Richter

Hoyerswerda. Carlos hängt aber so was von tiefen-entspannt an der Fensterluke rum. Das Gebaren des Faultiers ist behäbig – und: ansteckend! Wer Carlos etwas länger beobachtet, entdeckt die Langsamkeit für sich. Wenigstens für diesen Moment. Ein gutes Mittel, um vom Alltag entschleunigen zu können, findet ein Besucher.

Aber kaum hat sich in unmittelbarer Nähe eine Menschentraube gebildet, da hangelt Carlos am Seil herunter. Dieser Anblick ist eine Ausnahme – jedenfalls in einer solchen Morgenstunde. Zu jener frühen Zeit hat der Zoo ja geschlossen. Doch die Zoomitarbeiter wollen an diesem Sonntagvormittag den Besuchern zeigen, was im Zoo passiert, wenn die Tore noch geschlossen sind. Und das ist eine ganze Menge, berichtet Silke Kühn. Die Zooschulleiterin war selbst viele Jahre als Tierpflegerin tätig und weiß, was ihre fünfzehn Kollegen leisten und welche Verantwortung sie tragen. Dazu gehören der Schichtdienst an Wochenenden und Feiertagen.

Kalender kennt keine Rast

Der Jahreskalender eines Zoos kennt keine Betriebsruhe, Freizeit oder Urlaubstage. Schließlich wartet hier Arbeit, die jeden Tag erledigt werden muss. Erst wenn alle Tiere versorgt und sauber sind und es ihnen gut geht, wird Feierabend gemacht. Tritt ein Notfall ein und der behandelnde Tierarzt muss gerufen werden, verschiebt sich das Schichtende auch mal um mehrere Stunden nach hinten. Völlig normal in diesem Job. Davon spürt der Zoobesucher aber meist nichts.

Umso spannender sind die Einblicke hinter die Kulissen. Und so staunt so mancher Gast nicht schlecht, als Silke Kühn beherzt und blitzschnell in ein Gehege greift und mit einer Hand nach einem Königs-Python greift, dessen Kopf gut fixiert, so dass die Schlange nicht beißen kann. Jetzt schauen sich der kleine Paul und Schlange Paula in die Augen. Aber keine Angst. Silke Kühn weiß, was sie tut. Das spüren auch die Besucher. Vorsichtig tastet sich eine junge Frau an die Schlange heran. Die kurze, sanfte Berührung der Schlangenhaut lässt sie staunen. Adrenalin-Kick inklusive. Jetzt trauen sich auch mehrere Kinder, den Python zu streicheln. Nass und schleimig? Von wegen! „Trocken und kühl. Hätte ich nicht gedacht“, konstatiert ein Mädchen.

Und warum sieht das Wasser in der Zwergflusspferdlandschaft meist trüb und schmutzig aus? Das Wasser wird doch täglich gewechselt! Aber: Zwergflusspferde markieren ihr Revier im Wasser mit Kot, den sie durch heftiges Schwanzwedeln flächendeckend verteilen; gern mehrmals täglich. Auf dem Speiseplan des Zwergflusspferdes stehen unter anderem geschnittene Möhren, Kartoffeln und Salat. Geschnitten, weil das Gebiss des Hoyerswerdaer Tieres auf Grund des Alters nicht mehr das beste sei, so Silke Kühn. Es geht den Tieren eben wie den Menschen ...

Das Speisenangebot bei den Krokodilen sieht etwas anders aus: Sie haben Ratten „am Stück“ zum Fressen gern. Aber nur alle zwei Wochen. Pro Tier gibt es bei der Fütterung dann fünf bis sechs Nagetiere, die auch direkt aus dem Zoo stammen und bis dato ein gutes Leben hatten. „Fressen und gefressen werden“ ist der Tierwelt Gesetz.

Viertel nach acht. Die ersten warmen Sonnenstrahlen treffen auf die harten Panzer der Riesenschildkröten. „Ich sehe das zum ersten Mal, dass sich Bert und Jolanta so schnell bewegen“, freut sich Besucherin Annemarie Socher, die von Silke Kühn den Tipp bekommt, bei sehr hohen Temperaturen den Zoo möglichst früh oder erst gegen Abend zu besuchen. „Wir schließen tagsüber die Gehege auf, damit die Tiere selbst wählen können, wo sie sich am besten fühlen. Deshalb gab es schon Beschwerden von Besuchern, die die Tiere dann nicht zu Gesicht bekamen. Aber das Wohl der Tiere ist uns wichtiger“, bekräftigt Silke Kühn.

Nun geht es weiter zur Bärenanlage „Else Schulze“. Diese Dame war zu Lebzeiten eine Zoofreundin, die sich zu den Bären hingezogen fühlte, ihnen regelmäßig Honig vorbeibrachte und sich eine schöne, naturbelassene neue Bärenanlage wünschte. Ihr Wunsch erfüllte sich nach ihrem Tod durch eine großzügige Spende ihrerseits und mit Hilfe des Zoofördervereins und anderer Sponsoren. Tierfreundin Else Schulze hätte gewiss ihre Freude daran, die Bärenbrüder Björn und Bengt in der neuen Anlage beobachten zu können.

Im Hoyerswerdaer Zoo ist auch Japans Nationaltier zu beobachten: Ein Pfiff von Silke Kühn genügt, und die Mandschurenkraniche kommen an den Zaun geflitzt. Erwartungsvoll verharren sie – und werden nicht enttäuscht. Gleich gibt es Würmer! Das wissen die Kraniche: Den roten Schnabel auf, Futter rein. Das schmeckt gut!

Nachahmung ist freilich zweifelhaft. Die Zoo-Besucher werden zum Frühstücks-Kaffee wohl doch lieber eine Marmeladen-, Käse- oder Wurstsemmel gewählt haben. Die Geschmäcker sind halt verschieden. Eine solche Zoo-Führung aber „mundet“ gewiss jedem, der daran teilnimmt.