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Radeln mit Schub

Wie rollt es sich per E-Bike durchs Elbland? Eine SZ-Reporterin hat Technik und Strecke getestet.

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Von Ulrike Keller

Tatsache! Die Reha-Optik hat ausgedient. E-Bikes sind in der Mitte der modebewussten Fahrradgesellschaft angekommen. Für meinen Erstkontakt gebe ich trotzdem dem Komfort den Vorrang: Tiefer Einstieg, Rücktritt, breiter Sattel. Wie bei Omas altem Friedhof-Esel, nur in schick. Der entscheidende Unterschied aber sitzt zwischen Tretlager, Sitzrohr und Hinterrad: Es sind Motor und Akku. Dazu gibt’s ein Display am Lenker: Die oberen Lämpchen zeigen den Akku-Zustand, die unteren, in welchem E-Bike-Modus der drei möglichen ich gerade unterwegs bin.

Die Einstellung überlasse ich dem Experten an meiner Testseite: dem Chef der Fahrrad-Kette, Silvio Kunze. Er aktiviert den Power-Modus. Der Motor unterstützt nun mit maximal 250 Watt. „Ein normaler Radfahrer bringt es auf eine Leistung von 100 bis 150 Watt“, vergleicht Kunze. Aufstieg in Coswig an der Dresdner Straße. Auf den Elberadweg stoßen wir kurz vorm Freibad Kötitz. Ich rolle viel. Trete ich wieder selbst in die Pedalen, geht das ganz leicht. Es lässt sich gut an, das E-Biken.

Viele Radler verhalten sich schräg

Mit dem Handy spielende Mütter schieben ihren Kinderwagen den Radweg entlang, schmälern den ohnehin schon knapp bemessenen Asphaltstreifen. In Sörnewitz nahe der erhabenen Bosel blockiert ein gut genährter Rentner im Karohemd mit seinem Rad den Weg. Während des Päuschens hat er sein Gefährt quer abgestellt. „Auf dem Radweg verhalten sich viele komplett anders als sonst“, kommentiert Silvio Kunze.

Der Gegenwind lässt mich kalt. Nie bin ich so entspannt eine Geschwindigkeit von 20 Kilometer pro Stunde gefahren. Das einzige, was mich an die elektrische Dauer-Hilfe erinnert, ist ein gelegentliches Surren, das mich anfangs in den Irrglauben versetzt, das Handy im Rucksack würde sich permanent per Vibration melden.

Meißen heißt uns willkommen. Der Elberadweg schlängelt sich zur Dresdner Straße und geht kurz darauf wieder links weg. Es wird eng. Sehr eng. Zumal mir gerade in dieser Kurve drei Senioren entgegenkommen. Für Fremde, die es nicht so genau nehmen mit dem Rechtsfahrgebot, eine gefährliche Ecke. Extrem unangenehm: das Stück Baustelle unter der Eisenbahnbrücke. Das grobe Holperpflaster schüttelt alles im Körper durcheinander. Und von hinten drängeln Autofahrer. Eine beunruhigende Situation. Das Treten fällt schwer. Der Motor hilft merklich. Wie eine unsichtbare Hand schiebt er von hinten an.

Das Hochwasser verhindert, an der Elbe zu bleiben. Es hilft nichts: Wir strampeln den Umweg über die Zscheilaer Straße. Steil bergauf. Ich komme auf die dumme Idee, am Display herumzudrücken, um noch einen Zacken mehr Antrieb zu nutzen. Da ich – unbewusster Weise – schon auf der höchsten Stufe fuhr, reduziere ich durch mein Tastenspiel ungewollt die Unterstützung und scheitere jämmerlich. Aus eigener Kraft muss ich bei dieser Steigung passen. Bleibt nur zu stoppen und die alte Maximaleinstellung wiederzufinden. Dann geht’s weiter. Zum Glück nur noch bergab.

Vor dem Hotel Knorre biegen wir wieder auf den Elberadweg. Es ist der Abschnitt, auf dem die einen – folgenlos – Luft anhalten und Bauch einziehen und die anderen extra Gas geben, damit sie schnell durch sind. Eng wäre untertrieben, a...knapp trifft es eher.

Endlich: Wieder einmal ein erholsamer Part. Kein Ziehen im Oberschenkel, kein Schmerz in der Wade. Einzig am Hintern macht sich die sonstige Sattelabstinenz allmählich bemerkbar. Sieh an: Etliche Autos parken am Zuessenhaus in Kleinzadel. Der Elberadweg geht mächtig in die Kurven. Und wird für den Fremden unübersichtlich. Ohne Silvio Kunze würde ich falsch abbiegen.

Schnauffrei den Berg hinauf

Auf den Nieschützer Feldern wird gearbeitet. Die verhüllten Spargeldämme spannen sich wie ein Lamellenvorhang über die Ebene. Es fährt sich wie von selbst. Diesbar-Seußlitz! Liegt die Piste hier näher am Wasser? Ich empfinde es plötzlich als merklich kühler. Dann verlegt sich der Radweg wieder an die Hauptstraße. Die Verkehrsteilnehmer auf vier Rädern reagieren rücksichtsvoll. Aus unserem Sichtfeld entfernt sich die Elbe. Wir radeln durch viele kleine Ortschaften. In Merschwitz streckt Silvio Kunze den Arm links raus. „Jetzt runterschalten“, sagt er. Es geht die Winzerbergstraße hinauf – aber wie! Ich trete und trete und trete. Schnell, aber ohne einen Schnaufer. Die verborgene Schubhand vollbringt wahre Wunder. Im Nu sind wir oben. Und schalten wieder hoch, für einen normalen Tretwiderstand.

Da tut sich die gigantische Industriekulisse von Wacker auf. Nun lassen wir den Elberadweg planmäßig zurück: Es zieht uns noch Richtung Großenhain. Das Stück Kreisstraße bis Weißig fährt sich traumhaft. Rechts Teiche und Wiesen. Kaum ein Auto. Ideal! Anders auf dem anschließenden Stück Staatsstraße. Transporter, Baufahrzeuge, Lkw – alles schießt an uns vorbei. Der Radler ist Freiwild. Mit Kindern heikel. Im Gegenverkehr überholt testosterongeladen ein gelber BMW und schafft es kurz vor Silvio Kunze wieder auf seine Seite. Puh! Unser Ziel ist in Skassa erreicht. Genau gesagt an der Kirche, an der entlang der Ökumenische Pilgerweg verläuft. Auf knapp 38 Kilometern haben wir das E-Bike getestet. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 18 Kilometern pro Stunde. Der Akku würde noch weitere 60 Kilometer reichen. An diesen freundlichen versteckten Anschieber könnte ich mich gewöhnen!