Die Angst radelt immer mit

Kamenz. Die Kamenzerin Julia Wendt und das Fahrrad gehören zusammen – in der Freizeit wie beruflich. Dienstlich ist sie mit Post unterwegs von Haus zu Haus. In der Freizeit mit dem Rennrad, leidenschaftlich, wie sie berichtet. Doch diese Leidenschaft ist eng verbunden mit der Angst.
Julia Wendt ist sich sicher, dass es vielen Radfahrern so geht. Weil das Radwegenetz in der Region – vom sorbischen Raum abgesehen - nicht so gut ausgebaut sei, ist die Kamenzerin viel auf den asphaltierten Straßen des Landkreises unterwegs - wo sie um ihr Leben fürchte. Sie bevorzuge Dorfstraßen. Aber es lasse sich nicht immer umgehen, auch mal auf Bundes- oder Staatsstraßen zu fahren, wie zwischen Kamenz und Königsbrück oder Kamenz und Gersdorf.
„Immer häufiger passiert es, dass hinter mir ankommende Autos trotz Gegenverkehrs in viel zu geringem Sicherheitsabstand an mir vorbeizischen müssen“, sagt Julia Wendt. Oftmals habe sie das Gefühl, die Kraftfahrer können bei ihren waghalsigen Manövern die Geschwindigkeit eines Radfahrers kaum oder überhaupt nicht einschätzen. So komme es oft zur ungünstigsten Konstellation: Zwei Autos und der Radfahrer begegnen sich auf gleicher Höhe. Sie habe es selbst erlebt, wie sich zwei Autos dabei gegenseitig den Spiegel abgefahren haben. „Insbesondere auf dicht befahrenen Straßen fährt jedes Mal die Angst mit.“
Julia Wendt ärgert sich über diese gedankenlosen Aktionen. Sie spricht von blindem Eigensinn und hofft nun auf die verschärften Regeln der Straßenverkehrsordnung (StVO). Denn nach deren Änderung gilt jetzt ein fester Mindestabstand beim Überholen von Radfahrern. Sie hoffe, dass die damit verbundenen Bußgelder Wirkung zeigen, sie wolle an die Vernunft und Weitsicht der motorisieren Fahrzeugführer appellieren. Sie fordert mehr Respekt und Akzeptanz gegenüber den Radfahrern.
Besonderer Schutz nötig
In der Polizeidirektion (PD) in Görlitz blickt Pressesprecherin Katharina Korch auf die Zahlen der Verkehrsunfälle unter Beteiligung von Radfahrern und mit Verletzten. Die bewegten sich in den vergangenen Jahren im Landkreis Bautzen zwischen 350 und 370 Fällen pro Jahr. Als Schuldiger liegt der Kraftfahrer leicht vorn. Dazu gehören auch Unfälle beim Überholen, diese seien aber kein besonderer Schwerpunkt. Allerdings wurden zwischen 2016 und 2019 zehn Radfahrer getötet, 302 schwer verletzt.
Allein im Bereich des Polizeireviers Kamenz waren in den zurückliegenden drei Jahren Radfahrer in 307 Unfälle verwickelt. 262 verletzten sich, also eine Mehrheit, 64 sogar schwer. So sind sich Verkehrsexperten, wie Polizeihauptkommissar Egbert Schönknecht im Revier Kamenz, einig, dass die Radfahrer, neben den Fußgängern die schwächsten Glieder im Straßenverkehr sind und besonders geschützt werden müssen. Das belege die Statistik. Der Staat wolle das noch besser tun. Und schärfere Sanktionen seien dabei durchaus der richtige Weg. Die Zahlen sprächen dafür.
Mehr Toleranz im Straßenverkehr
Und letztlich auch die Erfahrungen der Kamenzer Radfahrerin. Er könne ihre Beobachtungen bestätigen, sagt Dietmar Zanke. Er ist Chef der Kreisverkehrswacht im Kreis Bautzen. Es sei jahrelang wenig für die Radfahrer getan worden. Für ihn ist es wichtig, auf beiden Seiten - bei Kraft- wie Radfahrern - Toleranz zu entwickeln. Manchmal seien Straßen zu schmal, um das Überholen zu ermöglichen, oder der Gegenverkehr stark. „Dann muss der Kraftfahrer hinter dem Radfahrer bleiben.“ Er dürfe nicht riskant überholen, sich und andere gefährden.
Zanke steht auch hinter der Neureglung der StVO. Mancher Autofahrer tue sich schwer damit. „Aber es geht um die Sicherheit der Radfahrer.“ Die seien ihrerseits angehalten, ja verpflichtet, mal rechts ran zu fahren, zum Beispiel wenn sich eine Kolonne aufstaue, und Kraftfahrer vorbei zu winken. „Wir brauchen ein besseres Miteinander, Rücksichtnahme auf den Straßen.“ Das vermittle er in seinen vielen Schulungen, denn daran fehle es.
Polizeisprecherin Katharina Korch erinnert daran, dass sowohl Überholender als auch Überholter ihre Pflichten haben. Die für Kraftfahrer wurden gerade verschärft. Um Verkehrsunfälle zu vermeiden, rät die Polizei den Radlern manchmal trotzdem, möglichst weit rechts zu fahren und falls notwendig die Geschwindigkeit zu reduzieren. „Das entbindet natürlich den Überholenden nicht von seiner Pflicht, nur dort und dann zu überholen, wenn jede Behinderung des Überholten und des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist.“
Ob die neuen Regeln zu einem veränderten Verhalten der Verkehrsteilnehmer untereinander führen, lasse sich aktuell nicht einschätzen, so Katharina Korch. Die Polizei wolle in diesem Monat bei den täglichen Kontrollen landesweit den Schwerpunkt auf Zweiradfahrer lenken. Im Revier Kamenz versichern die Beamten, die Radler seien bereits Schwerpunkt bei Kontrollen. Die wolle man noch verstärken. Letztlich müsste noch viel mehr getan werden für die Radler-Sicherheit, so Egbert Schönknecht vom Kamenzer Revier. Der Bau weiterer Fahrradwege entlang der Straßen, speziell außerhalb von Ortschaften, sei dabei auch ein Mosaiksteinchen. Das wünscht sich auch die Kamenzer Radfahrerin.
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