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Rätselraten um Pension im Gimmlitztal

Der Tatort des vermeintlichen Kannibalenmords soll wieder Herberge werden. Nur wurden bislang keine Gäste gesehen.

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Von Jörg Stock

Die Rosen vor der Tür sagen, dass einer noch ein Herz hat für dieses Haus. Das Schild im Schaukasten auch: „Neueröffnung ab 17. Juni 2014“, steht darauf. „Erfragen Sie unsere Sonderangebote.“ Dazu die Nummer des Buchungstelefons. Es scheint wirklich so, als ob das „Ferienheim Gimmlitztal“ eine zweite Chance bekäme.

Im November 2013 war hier eine grausige Bluttat passiert. Herbergsvater Detlev G., hauptberuflich Kriminalbeamter, hatte im Pensionskeller den leblosen Hannoveraner Geschäftsmann Wojciech S. mittels Motorsäge und anderer grober Werkzeuge zerlegt und die Stücke im Garten vergraben. Tagelang buddelten Ermittler mit Leichenspürhunden das Terrain um. Detlev G. kam in Untersuchungshaft. Am 22. August beginnt sein Prozess. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm nicht nur Störung der Totenruhe vor, sondern Mord.

Die Herberge, als Gruselhaus und Horror-Pension verschrien, stand seit dem Abzug der Polizei leer. Detlev G.s Lebenspartner Bernd G. versuchte sie zu verkaufen und erteilte der Firma Citymakler Dresden das Mandat dazu. Kurz vor Weihnachten 2013 erschien die Anzeige: „Malerisch gelegenes Anwesen mit jüngster Kriminalgeschichte“. Kaufpreis: 175 000 Euro

Citymakler-Chef Marko Häbold beurteilte die Chancen damals gemischt: Einerseits stelle das Verbrechen eine Wertminderung dar, andererseits habe die Berichterstattung das Gebäude überregional populär gemacht. Dadurch könne ein größerer Interessentenkreis erschlossen werden.

Die Interessenten springen ab

Diese Hoffnung war umsonst. Nur zwei Interessenten aus der näheren Umgebung hätten das Haus besichtigt, sagt Marko Häbold. Sie seien jedoch wieder abgesprungen, wahrscheinlich wegen der baulichen Gegebenheiten. Das Verbrechen sei jedenfalls nicht ausschlaggebend gewesen, die Leute hätten davon gewusst. Auf verkaufsfördernde Ideen wie einen Tag der offenen Tür zum Mühlentag ging der Hauseigentümer laut Makler nicht ein. Das Mandat sei im April ausgelaufen. „Wir waren nicht sehr böse darüber“, sagt Häbold mit Blick auf die geringen Erfolgschancen.

Wer sind die neuen Macher in dem Ferienheim, das nun „Die Weinputtenpension“ heißt? Ich drücke die Klingel. Einmal, zweimal. Aber es bringt nichts. Niemand ist zu Hause. Nachbarn sagen, dass nur hin und wieder jemand da ist, meist am Wochenende. Feriengäste haben sie bisher keine bemerkt. „Rufen Sie doch die Nummer an.“ Der Mann am Buchungstelefon will aber nicht mit Reportern reden. Er hat Angst, reißerische Berichterstattung könnte den Neubeginn gefährden. Demnächst werde es eine Pressemitteilung der Geschäftsführung geben, sagt er.

Geheimnis um den neuen Betreiber

Die Internetpräsenz der „Weinputtenpension“ verrät, dass die SIM Tourism Ltd. & Co. KG als Betreiber auftritt. Die in Großbritannien übliche Gesellschaftsform ist seit einiger Zeit auch in Deutschland anzutreffen, weil man sie schnell und ohne viel Kapital gründen kann. Das Geheimnis um den Titel „Weinputtenpension“ wird auf den Internetseiten nicht gelüftet. Offenbar bezieht er sich auf die farbenprächtigen Kacheln im Speisezimmer, die dralle Knaben mit Rankwerk und Weinkelchen zeigen. Sie sollen aus den 1960er-Jahren stammen und ursprünglich in einem anderen Lokal eingebaut gewesen sein. Im Gimmlitztal weiß kaum jemand Näheres darüber, was in der Pension passiert. Früher waren Besitzer und Gäste gelegentlich in der Weicheltmühle, dem einzigen Gasthaus des Tales. Seit der Bluttat hat Wirtin Ingrid Bretschneider Bernd G. nicht mehr gesehen, auch keine Bewohner der neuen „Weinputtenpension“. Hin und wieder fragen die Gäste, was es Neues gibt von dem Haus, in dem der „Killerkommissar“ wohnte. „Aber wir wissen ja auch nicht mehr, als in der Zeitung steht.“ Der Wirtin wäre es lieb, wenn nicht so viel über das Verbrechen geschrieben würde. Das ärgert die Leute hier, sagt sie. „Im Gimmlitztal laufen Mörder rum – so wird ja dann geredet.“