SZ +
Merken

Rasenmähen streng verboten

Ein-Euro-Jobs. Auf der Suche nach Arbeit für Langzeiterwerbslose fällt den professionellen Ideen-Findern außer Busbegleitung nichts ein.

Teilen
Folgen

Von Georg Moeritz

Dresden. „Manchmal stauben wir die Feuerlöscher ab“, sagt Jochen Merbitz (Name geändert). Was er zu tun habe, sei nur eine „Schein-Beschäftigung“ – es gebe nicht genug zu tun im Büro und in der Sportanlage. Merbitz ist einer von acht Mitarbeitern eines Dresdner Vereins, die nach langer Arbeitslosigkeit für ein halbes Jahr als Ein-Euro-Jobber beschäftigt werden.

Einlasskontrolle, Kinderbetreuung, Archiv – die Stellenbeschreibungen des Vereins klingen nach sinnvollen Aufgaben. Doch Merbitz will eine feste Stelle und findet das Geld vom Staat bei seinem Sportverein „verschwendet“. Da ist Merbitz nicht der Einzige. Auch im Landkreis Bautzen gibt es Ein-Euro-Jobber, die sich über ihre Aufgaben beschweren. Landrat Michael Harig (CDU) hat eine „hohe Sensibilität“ der Teilnehmer festgestellt. „Bei schlechter Organisation der Arbeit oder wenn sie keinen Sinn in der Aufgabe sehen, kann die Maßnahme auch nach hinten losgehen“, sagt Harig. Denn die meisten Langzeitarbeitslosen wollten ja arbeiten, hätten gern wieder „das Gefühl, gebraucht zu werden“.

Ehrenamt im Hintergrund

Als der VW-Manager Peter Hartz und seine Regierungskommission im Jahr 2002 ihre Reformvorschläge gegen Arbeitslosigkeit vorlegten, setzten sie deshalb auch auf die Ideen aus Vereinen: Die könnten „arbeitslosen Menschen auf dem Weg zurück ins Berufsleben wichtige Hilfestellung leisten“. Damals war viel vom Ehrenamt die Rede.

Doch rasch etablierte sich der Ein-Euro-Job anstelle der früheren Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als eine Beschäftigung für eine beschränkte Zeit. Sie führt nicht in eine feste Stelle, weder beim Verein noch beim Bauhof der Stadt, stockt aber wenigstens für ein halbes Jahr die Haushaltskasse ein wenig auf.

Häufig sind die Mitarbeiter im Grünen unterwegs: Sie halten Wanderwege in Stolpen sauber und den Bolzplatz in Waldheim, beseitigen alljährlich Hochwasserschäden im Elbland oder bringen die Waldbühne Bischofswerda in Ordnung. Für die dortige Spielgemeinschaft „Gojko Mitic“ basteln sie Theaterrequisiten, für gemeinnützige Einrichtungen im Landkreis Kamenz Fensterbilder und Tischdekorationen. Die Riesaer Arbeitsgemeinschaft gibt Jugendlichen den reichlichen Euro, damit sie den Hauptschulabschluss nachholen – in Hartha beaufsichtigt ein Ein-Euro-Jobber Jugendliche an der Skateranlage. Vorlesen im Pflegeheim, Kostüme schneidern für einen Festumzug und Archivmaterial sortieren gehören zu den Aufgaben.

Neue Ideen sind rar

Der Einsatz von 300 uniformierten Busbegleitern in Leipzig stieß vorige Woche auf Protest, weil dahinter ein Anti-Terror-Einsatz vermutet wurde. Der Landkreis Bautzen will Langzeitarbeitslose als Betreuer in Schulbussen mitfahren lassen. Neue Ideen sind rar.

Wohlfahrtsverbände und Deutscher Gewerkschaftsbund fordern einen „ehrlichen zweiten Arbeitsmarkt“ für Langzeiterwerbslose. Manchmal ist schon vom „dritten Arbeitsmarkt“ die Rede, wobei als „erster“ die freie Wirtschaft gilt und als „zweiter“ die vorübergehenden Jobs. Die neue Forderung lautet: Wer selbst bei guter Konjunktur keine Stelle in der Wirtschaft bekomme, könne doch dauerhaft vom Staat bezahlt werden – zum Beispiel als Einkaufshelfer für ältere Menschen. Versuchsweise hat das Land Sachsen-Anhalt 20 Arbeitslose für ein Jahr beim Wohlfahrtsverein Lebenshilfe eingestellt. Sie sollen in einer Behindertenwerkstatt bei der Betreuung helfen. Die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg möchte nicht als Ideengeber für solche Projekte fungieren. „In den Regionen“ müssten die Arbeitsfelder entdeckt werden, sagt Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Behörde.

Einen Konsens nämlich gibt es noch nicht einmal bei den vorhanden Ein-Euro-Jobs. Fünf Prozent aller Anträge lehne er ab, sagt Horst Bergmann, Geschäftsführer des Verbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Sachsen. Bei ihm müssen sich die Gemeinden und Vereine melden, wenn sie Langzeitarbeitslose mit der Schippe losschicken wollen. „Fußwege pflastern, Bäume fällen, Winterdienst leisten“ wollen manche Bauhöfe mit Hilfe der billigen Mitarbeiter. Doch Bergmann verweigert selbst Rasenmähen „generell“. Denn alle diese Aufgaben müssten Unternehmen überlassen bleiben. Es seien schon genug Arbeitsplätze vernichtet worden durch die Konkurrenz mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Ich-AG.

Kein Kläger, kein Richter

Zwar begutachten Beiräte aus Handwerksmeistern die beantragten Tätigkeiten, auch die Industrie- und Handelskammer Dresden stellt Unbedenklichkeitsbescheinigungen aus. Doch „wo kein Kläger, da kein Richter“, sagt Cornelia Pretzsch, Geschäftsführerin in der Dresdner Kammer. Was tatsächlich geleistet werde, sei schwer zu kontrollieren. Markus Schlimbach, Sprecher des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Sachsen, sähe am liebsten eine Liste im Internet, in der alle Ein-Euro-Jobs verzeichnet sind. Dann sei leicht zu prüfen, ob das Angegebene auch erledigt wird.

„Es geht darum, für die Allgemeinheit etwas zu schaffen“, sagt Hans-Richard Würkner über die Aufgaben für Ein-Euro-Jobber. Der Leiter des Amtes für Arbeit und Soziales im Landkreis Meißen hält es für richtig, wenn Langzeitarbeitslose im Auftrag kommunaler Bauhöfe „Zäune streichen und Spielplätze wieder herrichten“. Es gehe um „zusätzliche“ Aufgaben, die sich die klammen Kommunen sonst nicht leisten könnten. Ohne Ein-Euro-Jobber würde viel „verwahrlosen“.