Der eine wird für seine fundamentale Haltung als Denkmalschützer, für den Kauf und den Erhalt historischer Gebäude vor allem in Görlitz, Ostritz und Zittau bewundert - und angefeindet: Thomas Göttsberger, Finanzbeamter, Ostritzer Stadtrat und Mitglied in den Stadtforen Görlitz und Zittau. Der andere wird für seine unkonventionelle Art, leer stehende Gebäude vor allem in Zittau, aber auch anderswo im Landkreis zu vermarkten oder abzureißen und dann die Grundstücke zu entwickeln, bewundert - und angefeindet: Klaus Reepen aus Schlegel, Zittauer Stadtrat und Beamter der Bundespolizei. Die SZ hat beide zum Streitgespräch über den Erhalt historischer Häuser geladen.
Herr Reepen, Herr Göttsberger, wie viele Häuser haben Sie schon abgerissen?
Göttsberger (G): Ich habe noch keins abgerissen.
Reepen (R): Fünf.
Alle in Zittau?
R: Ja.
Herr Reepen, würden Sie auch die Mandaukaserne abreißen?
Andersherum: Herr Göttsberger, hätten Sie die Gebäude von Herr Reepen wie die Lessingstraße 11 oder die Friedensstraße 29 in Zittau, die abgerissen sind, erhalten?
G: Das in Wittgendorf kenne ich nicht, die anderen schon. Sie hätten erhalten werden sollen. Da ist zum Beispiel die Friedensstraße 29, ein spätklassizistisches Gebäude, ein Doppelhaus. Die andere Hälfte steht jetzt isoliert wie ein einzelner Zahn. Sie gehen ja mit einem kranken Zahn auch nicht zum Zahnarzt und sagen: Machen Sie ihn raus, damit es ordentlich aussieht, sondern lassen ihn reparieren oder ersetzen. Solche Bau-Strukturen gehören erhalten. An Einfall- und Ausfallstraßen sowieso. Dazu hat sich die Stadt bekannt, handelt aber nicht immer danach, was sehr schade ist. Auch volkswirtschaftlich gesehen machen Abrisse keinen Sinn, da werden Werte vernichtet. Von der Vernichtung der sogenannten „grauen Energie“, die in den Häusern steckt, ganz abgesehen.
Herr Göttsberger, Sie wollen Häuser für die Nachwelt erhalten. Für welche Nachwelt denn, bei dem Einwohnerschwund?
G: Es wird auch irgendwann wieder aufwärts gehen, in Zittau und der Oberlausitz. Schon jetzt ist es so, dass Kulturschaffende aus Dresden, Leipzig und Berlin, die von den hohen Mieten vertrieben werden, so langsam in die Oberlausitz einsickern. Für sie sind solche leer stehenden Gebäude ein Anreiz, herzukommen.
Haben Sie schon jemals eine der Immobilien an so einen Künstler verkaufen können?
G: Es ist alles im Werden. Man muss in Zeitphasen denken, zehn, 15 Jahre weiter, auch wenn mir bewusst ist, dass der Bedarf derzeit noch nicht sehr hoch ist. Ich habe den Eindruck, speziell in Zittau und der Stadtverwaltung, dass sie eher von heute auf morgen denken: Man hat zu viele Gebäude, da muss die Zahl unbedingt angepasst werden. In anderen Städten hat man das bitter bereut. Aber wenn man schon schrumpfen will, dann von außen nach innen und sollte nicht hier und da mal ein Haus rausnehmen.
G: Es ist zum Teil ungeordnet. Wenn die Wohnbau zwei Gebäude gegenüber vom Bahnhof oder in der Schrammstraße als Einzelgebäude abreißt, dann hat das wohl eher fördertechnische als stadtplanerische Gründe. Geordnet wäre, wenn man versuchen würde, die Altneubauten am Rande der Stadt abzureißen und die Leute in die Innenstadt zu kriegen.
Die Stadt versucht das zumindest, aber viele Altneubauten gehören ihr nicht. Wie sehen Sie das, Herr Reepen?
R: Man muss die Besitzverhältnisse beachten. Es gibt auch viele Besitzer alter Gebäude, die sich überhaupt nicht um die Immobilien kümmern. Da ist oft an die Falschen verkauft worden. Es kann nur entwickelt, gestaltet oder abgerissen werden, wenn der Besitzer den Willen hat, mitzumachen.
Was verstehen Sie unter 'entwickeln'?
R: Wir können nicht zugucken, wie sich jemand nicht um sein Gebäude kümmert, denn dann liegt es eines Tages auf der Straße. Dann muss es auf Kosten der Stadt, die ohnehin klamm ist, zurückgebaut werden. Wir müssen dafür sorgen, dass Häuser, deren Besitzer sich nicht kümmern und nicht einmal die Grundsteuer bezahlen, zwangsversteigert werden und an Käufer veräußert werden, die sich um die Immobilien kümmern.
Wie entwickeln Sie Ihre Immobilien?
R: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass, wenn ich etwas kaufe und ein Schild drannagele, bald jemand um die Ecke kommt, der eine Idee hat. Und wenn ich abreiße, kommen oft ganz schnell Leute, die sagen, hier würden wir gern bauen. So wie in der Lessingstraße 11.
Verstehen Sie die Menschen, die sagen: Das Haus passt dort überhaupt nicht hin?
R: Ja, weil Sie etwas anderes gewohnt waren. Aber am Ende ist das ein Stück Entwicklung. Wir müssen Neues zulassen, auch wenn die Harmonie zurzeit vielleicht kritisch ist. Aber vielleicht gibt es in fünf oder zehn Jahren Menschen, die sagen: das sieht aber harmonisch aus, weil sie es nicht anders kennen. Außerdem muss man da der Stadt einen kleinen Vorwurf machen: Hätte sie eine Gestaltungssatzung für das Gebiet, wäre das Haus so nicht entstanden.
G: Ich kann die Leute in der Lessingstraße schon verstehen, wenn sie sagen, dass da ein Fremdkörper ist. Es gibt eine Untersuchung der TU Chemnitz, dass diese Harmonie objektivierbar ist. Die besagt: Je mehr Neubauten in einer Straße mit Altbausubstanz stehen, desto schlechter gefällt das den Leuten. Wenn Herr Reepen sagt, alles verändert sich, halte ich dagegen: Nicht immer zum Besseren. Gegen Neubauten ist nichts einzuwenden. Aber nicht in Altbaubereichen.
Gilt das für alle Bereiche, also genauso für die Innenstädte von Zittau und Görlitz mit ihren tausenden Baudenkmälern wie für die Stadtränder?
G: In Zittau herrscht seit vielen Jahren die Ansicht: Wir haben viele Baudenkmale und können damit nachlässig umgehen.
Wer hat diese Ansicht?
G: Das hört man immer wieder. Man hört: Wir haben so viele Baudenkmale, da müssen wir nicht jedes erhalten. Aber das ist der falsche Ansatz. Die Geschlossenheit der Stadt ist wichtiger als das einzelne Denkmal. Zittau hatte nach der Wende ganz wenige Baulücken. Mittlerweile hat sich das Verhältnis umgekehrt. Das ist woanders nicht so. Görlitz zum Beispiel versucht, jedes Haus zu halten. In Zittau ist der Grundsatz: Wenn ein Haus schwächelt, tendieren wir eher zum Abriss. Da sollte man umsteuern, denn was ist das für ein Signal nach außen, wenn man immer die Flinte ins Korn wirft? Noch schlimmer: Irgendwann denken die Menschen, das muss so sein.
R: Es sind in Zittau und Görlitz nicht nur Abrisse, sondern auch Einstürze. Da geht man in Zittau vielleicht ein bisschen anders heran, weil die Mitarbeiter der Bauaufsicht immer mit einem Bein im Gefängnis stehen, weil sie für die öffentliche Sicherheit auch bei Privateigentum zuständig sind. Das muss man auch verstehen.
G: Die Stadt Görlitz ist in solchen Fällen relativ schnell mit Notsicherungen. Auch das gibt das Gesetz her. Sie fangen schon frühzeitig, wenn der Schädigungsgrad noch nicht so hoch ist, an. Sie sagen, lieber nehme ich mal 5.000 Euro in die Hand als später 100.000. Das sollte auch ein Ansatz in Zittau sein.
R: Wir haben gar nicht die finanziellen Mittel, um die vielen Häuser zu sichern. Görlitz hat ganz andere Möglichkeiten. Und dann ist da noch die Bauaufsicht. Wie sollen die wenigen Mitarbeiter die ganzen Schäden erheben?
Diese Übersicht gibt es in Zittau bereits.
G: Görlitz hat in Relation zur Größe auch nicht mehr Geld. Es ist eine Frage des politischen Wollens. Görlitz hat sich entschieden, die Stadt zu erhalten.
Verstehen Sie Herrn Reepens Argumentation trotzdem, dass Hunderte Häuser schon aus finanziellen Gründen für die Stadt nicht zu halten sind?
G: Erstens: Wie viele Häuser sind wirklich notleidend? Zweitens sollte man als Stadt nicht als Alleinunterhalter tätig sein, sondern sich andere ins Boot holen. Wir vom Stadtforum zum Beispiel helfen gern. Wir gehen mit wachen Augen durch die Stadt, sehen, wenn ein Dachziegel oder ein Fallrohr fehlt und sprechen mit den Eigentümern. Und wenn einer finanziell nicht kann, ist es durchaus auch so, dass wir auf unsere Kosten tätig werden.
Herr Reepen, Sie entwickeln Immobilien und suchen dafür vor allem Käufer, oder?
R: Nicht immer. Manche Häuser lassen sich nicht verkaufen. Bei der Brunnenstraße 21, dem ehemaliger Zittauer Bürgermeisterhaus, war das anders. Das habe ich aus der Insolvenz geholt, beräumt und zum Tag des offenen Denkmals geöffnet. Da kamen auch die Investoren. Ich selber habe davon nicht viel. Wer glaubt, dass man hier mit dem Verkauf historischer Gebäude Millionen verdienen kann, irrt. Bei der Brunnenstraße 21 zum Beispiel sind gerade die Selbstkosten wieder reingekommen, wenn überhaupt.
Sind Sie eine Art Hobby-Immobilienmakler?
R: Nein. Ich habe privat Interesse, dass es vorwärts geht. Ich bin Stadtrat und will Zittau etwas zurückgeben. Außerdem wählt einen niemand, wenn man für die Stadt nichts macht. Die Leute an der Herwigsdorfer Straße sind mir zum Beispiel dankbar, dass ich die Fläche des ehemaligen Kohlehandels aufgeräumt habe. Ich glaube, wenn Herr Göttsberger in Zittau zur Stadtratswahl angetreten wäre, hätten ihn auch viele wegen seines Engagements für die Mandaukaserne gewählt. Ich persönlich schätze sein Tun und ziehe den Hut davor. Was daraus wird, werden wir in Zukunft sehen. Am Ende werden erst nachfolgende Generationen sagen können, ob Herr Göttsberger oder Herr Reepen recht hatten. Mein Grundsatz ist: Ein Gebäude hat eine Aufgabe. Ein Gebäude soll Leben beherbergen. Wenn es aber leer steht, lebt dort niemand, der die Stadt fördert und voranbringt.
G: Auf Ihren Leerflächen lebt doch aber auch niemand mehr. Bei den leeren Häusern besteht wenigstens die Chance, dass sich das wieder ändert.
R: Es kommen doch auch wieder Menschen auf die Flächen, auf denen ich Häuser abgerissen habe. Wie eben zum Beispiel in der Lessingstraße 11 in Zittau.
Haben Sie jemals ein Gebäude gesichert oder saniert?
R:Ich bin ja gerade am alten Schlachthof an der Zittauer Chopinstraße dran. Ich habe die Genehmigung zum Abriss der DDR-Anbauten und schon angefangen. Aber das geht immer nur, wenn Geld dafür da ist. Vom Denkmalamt habe ich Geld für die Sanierung der ersten Dächer bekommen. Damit will ich anfangen, wenn ich mit dem Abriss in der Teichstraße 10 in Schlegel fertig bin. Ich hoffe, dass wie bei anderen Immobilien dann ein Käufer kommt und das eine oder andere Gebäude des Schlachthofes übernimmt und sich darum kümmert.
G: Sie sind der Eigentümer, stehen im Grundbuch und sind verantwortlich. Mir ist bekannt, dass Sie auch mindestens eins, wenn nicht zwei Gebäude wieder aufgegeben und für herrenlos erklärt haben, weil Sie den Anforderungen nicht gerecht werden wollten.
R: Das war ein bisschen anders. Ich hatte von der Verwaltung die Zusage, dass ich eine Abrissverfügung bekomme, wenn ich kaufe. Als ich dann Eigentümer war, sind die Herrschaften um die Ecke gekommen und haben gesagt: Sie müssen jetzt sichern. Da habe ich mich verschaukelt gefühlt. Aber es gab dann eine Aussprache und die Sache ist geklärt.
G: Sie kaufen also Gebäude, um sie abzureißen.
R: Nein, nicht generell, auch wenn es in diesen beiden Fällen so war.
Herr Göttsberger: Sie kaufen historische Häuser nicht, um sie zu entwickeln, sondern um sie zu erhalten. Wie viele besitzen Sie denn schon?
G: Einige. Viele historische Häuser sind derzeit nicht marktgängig, müssen aber trotzdem erhalten werden.
Konkreter wollen Sie also nicht werden. Verraten Sie wenigstens, wie viele es in Zittau sind?
G: Ich will es mal so sagen: Ich bin ein Eigentümer, der der gesellschaftlichen Verantwortung gerecht wird. Ich möchte, so wie es in meinen Möglichkeiten steht, etwas für die Nachwelt erhalten. Ich will auch nicht Profit aus den Gebäuden ziehen. Das heißt, was von dem einen als Überschuss kommt, fließt in das andere.
Herr Reepen, wie viele Immobilien entwickeln Sie derzeit.
R: Fünf in Zittau, insgesamt sieben.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Wie soll es mit den maroden, historischen Häusern in Zittau weitergehen?
G: Umdenken in der Gesellschaft, der Stadtverwaltung, der Politik. Sie müssen sich des historischen Erbes bewusst werden und es nach allen Kräften versuchen, zu halten. Und in Stufe zwei, viel, viel später, werden die Abrisslücken wieder geschlossen.
R: Ich denke, der Mittelweg ist richtig. Ein Teil wird gerettet, ein Teil wird entwickelt und ein Teil wird erst einmal brachliegen bleiben. Vielleicht findet sich auch eine Mehrheit im Stadtrat, nicht nur Geld für den Abriss zu geben, sondern auch Herrn Göttsbergers Ideen, mit dem Stadtforum kleine Sicherungsmaßnahmen vorzunehmen, zu finanzieren. Das ist ein schöner Ansatz.
G: Es gibt noch einen Weg, wie man die Altbausubstanz erhalten kann. Es gibt Kommunen, die weisen seit zehn Jahren keine Neubaugebiete mehr aus. Das heißt, wenn jemand herzieht, muss er sich mit dem Angebot, was da ist, arrangieren.
Aber in den letzten 30 Jahren sind die Familien, wenn sie in Zittau nicht neu bauen konnten, ins Umland gezogen.
G: Zittau allein kann das nicht. Das muss die südliche Oberlausitz gemeinsam machen. Sonst entsteht ein Donut: außenrum der fette Bereich, innen gar nichts.