Von Gabriele Schrul
Inge Müller läuft Sturm. Die Vorsitzende der Kreis-Seniorenvertretung will ihre Ängste und Sorgen um die Altenbetreuung in der Region nicht mehr länger hinunterschlucken. „Unsere Alten bleiben auf der Strecke, wenn es in den Krankenhäusern nur noch ums Geld geht. Austherapiert wird immer mehr zum Zauberwort der Krankenhäuser.“
Kreis braucht Einrichtung
für die „Zeit dazwischen“
Was aber wird aus den alten Menschen im Landkreis, wenn sie die Klinik verlassen, doch für den Alltag noch nicht fit sind? Sie landen in Pflegeheimen oder werden zu Hause von Pflegediensten abgefangen. „Das alles ist ein richtiger Albtraum. Man kann doch nicht alles über die ohnehin schon unter großem Druck stehenden Pflegekräfte absichern“, betont die Chefin der Seniorenvertretung. Und eine Einrichtung für die „Zeit dazwischen“ gebe es nicht in der Region. Damit aber ist die Chance auf eine Rehabilitation und wieder auf ein selbstständiges Leben für einen Großteil der Alten verwirkt.
Dabei deutet sich eine Lösung an. Inge Müller macht sich für die Einrichtung eines geriatrischen Zentrums stark. Und sie weiß auch schon, wo: im künftig leer stehenden Heidenauer Krankenhaus. Genau jenes Objekt, in dem die Johanniter gut 100 Jahre medizinisch wirkten, bis es im Juni auf Kreis-Geheiß an die Rhön-Klinik ging.
Situation im Pflegebereich
spitzt sich weiter zu
Mit dieser Entscheidung sind die Tage des Krankenhaus-Standortes in Heidenau gezählt, denn künftig will die Rhön-Klinik mit einem Neubau in Pirna den gesamten Bedarf abdecken. Und genau deshalb tue sich eine neue Nutzungsmöglichkeit des traditionsreichen Gemäuers in Heidenau auf.
„Vor der Pflege muss die Reha kommen, nicht umgekehrt“, lässt die Seniorenchefin nicht locker. Denn nicht nur in Heidenau häufen sich mehr und mehr die Fälle, dass alte Patienten aus Kostengründen entlassen werden, obwohl sie noch nicht wieder richtig aufgepäppelt sind. „Solch ein Zentrum ist längst überfällig. Schließlich leben wir in einem ständig älter werdenden Volk, das muss uns endlich bewusst werden“, verdeutlicht Chefarzt Dr. Christian Schmidt, Ärztlicher Direktor der Heidenauer Einrichtung. Zumal auch die ständigen Diskussionen um künftige Gesundheitsstrukturen im Land zu einer zunehmenden Verunsicherung gerade unter älteren Menschen führe.
Und genau deshalb sind Entscheidungen überfällig. Inge Müller weiß dabei die Kreisbehörde hinter sich, denn auch Landrat Michael Geisler (CDU) signalisiert einen „realen Bedarf für geriatrische und gerontopsychiatrische Kapazitäten“. Längst liegt dem sächsischen Sozialministerium ein Konzept der Johanniter vor. Doch von hier kam im Frühjahr lediglich eine „dünne Antwort“, sagt Inge Müller. Das zweiseitige Schreiben gehe noch auf das Konto von Ex-Ministerin Christine Weber. „Wir hatten den Eindruck, dass die Dame sich gar nicht die Mühe gemacht hat, unser Papier zu lesen“, urteilt die Senioren-Chefin. Statt eines klaren Ja oder Nein verweist sie auf die „eigenverantwortliche Planung der Kostenträger für Reha-Einrichtungen in Sachsen“. Dahin solle sich die Seniorenvertretung wenden.
Jetzt gibt es eine neue Ministerin und damit neue Hoffnung im Landkreis. Und genau deshalb denkt Inge Müller nicht ans Aufgeben. Mittlerweile sitzt auch die Seniorenvertretung des Weißeritzkreises im gleichen Boot. Denn die Situation ist da keinen Deut anders. Die Alten haben keine Lobby, und deshalb sind wir für sie da, stehe als Fazit gemeinsamer Gespräche.
Doch auch die aktuellen Signale aus Dresden stimmen nicht gerade optimistisch. „Das Ministerium will unserem Modellvorhaben nicht folgen“, weiß mittlerweile Georg Menzel, Geschäftsführer des Johanniter-hauses Dohna-Heidenau. Es bestünde kein Bedarf, lässt Jürgen Vogels, Pressesprecher des Sozialministeriums, wissen. Denn an drei Standorten – in Radeburg, Dresden-Löbtau und am Klinikum Chemnitz – gibt es schon derartige Reha-Klinken. Und in Zwenkau, Leipzig und Plauen sollen weitere Einrichtungen entstehen.
Doch noch scheint nicht aller Tage Abend. Am 22. Juli treffen sich Kreisvertreter mit Staatssekretär Albin Nees. Offensichtlich soll das Paket neu geschnürt werden. Denn die Empfehlungen des Ministeriums für das Heidenauer Haus tendieren in Richtung Pflegeheim.
Der Landkreis Sächsische Schweiz hält dennoch an der geriatrischen Idee fest. „Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass die bestehenden und geplanten Einrichtungen die Situation hier in den beiden Landkreisen entspannt“, steht für die Seniorenvertreterin fest. Zumal die „Rahmenkonzeption zur geriatrischen Hilfe im Freistaat Sachsen“ auf das Jahr 1995 zurückreicht. Inzwischen aber habe sich die Situation im Pflegebereich weiter zugespitzt. „Längst läuten hier die Alarmglocken“, betont Inge Müller.