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Reifes Obst und verschwundene Orden

Im Großsedlitzer Park gibt es Zitronen und die Historie eines Schmucks, der aus dem Grünen Gewölbe gestohlen wurde. Teil 3 unserer Serie "Starker August".

Von Peter Ufer
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Diese olle Zitrone hat noch ziemlich viel Saft! August der Starke, vor 350 Jahren geboren, hier von Schauspieler Steffen Urban verkörpert, versucht sich als Südfruchtjongleur im Barockgarten Großsedlitz.
Diese olle Zitrone hat noch ziemlich viel Saft! August der Starke, vor 350 Jahren geboren, hier von Schauspieler Steffen Urban verkörpert, versucht sich als Südfruchtjongleur im Barockgarten Großsedlitz. © Ronald Bonß

Im Großsedlitzer Park ernten Gärtner gerade Citrus medica maxima. Die Riesenzitrone stammt ursprünglich aus Südostasien. In dem Garten hoch über Heidenau kommt das Zuchtexemplar aus der Orangerie. Die saure Frucht wirkt wie die Satire auf einen Reichsapfel, gehörte aber zum Lieblingsobst des sächsischen Kurfürsten. Denn damit konnte er Gäste beeindrucken.

Andere zu beeindrucken gehörte zur Taktik der adligen Diplomatie. So trägt denn in den Paraderäumen des Dresdner Residenzschlosses die „königliche Statua“, die Krönungsfigur Augusts des Starken, den goldenen Apfel als Insigne der Macht in der linken Hand. Mit der kostbar gefertigten Kugel samt Kreuz ließ sich der Kurfürst 1697 in Krakau zum König August II. krönen. Sieben Jahre später musste er den polnischen Königstitel wieder abgeben. Denn zuvor hatte er mit Dänemark und dem russischen Zarenreich versucht, die schwedische Vorherrschaft im Ostseeraum zu brechen. Die Dreierallianz begann 1700 den Nordischen Krieg. August besetzte mit seinen Truppen Riga, der schwedische König Karl XII. holte zum Gegenschlag aus. 1704 siegte er über das sächsisch-polnische Heer und August war die Krone wieder los.

Der Kurfürst plante noch Größeres

Um sie zurückzubekommen, dachte der Kurfürst nicht nur über neue militärische Strategien nach, sondern stiftete 1705 den Weißen Adlerorden. Mit der Auszeichnung ehrte er polnisch-litauische und sächsische Adelige. Das Geschmeide wurde Hochwohlgeborenen für Verdienste um Staat und Thron an die Brust gehängt. Vor allem ging es darum, mit dem Schmuck Verbündete zu belohnen, die dem Kurfürst halfen, seine Macht in Polen zurückzugewinnen. Die Taktik mit den Ehrungen wird bis heute kultiviert. Der Organisator des Semperopernballs versucht sich beispielsweise mit dem sächsischen St.-Georgs-Orden darin. Allerdings ist sein Blech lächerlich und politisch inkorrekt.

August nahm einst nicht die Oper als Kulisse für die Zeremonie, sondern den Park in Großsedlitz samt Zitronenfrüchten. Die Ausstellung in der Langgalerie der Oberen Orangerie widmet sich heute diesem Kapitel der sächsischen Geschichte. Erzählt wird auch, dass das Grundstück einst dem Reichsgrafen August Christoph von Wackerbarth gehörte. Zwischen 1719 und 1723 ließ er sich dort seinen Alterssitz bauen. Kaum fertig, übernahm August der Starke die Immobilie. Die Lage und die Aussicht waren einfach zu schön. Der Kurfürst plante noch Größeres, wollte ein Luftschloss, gebaut wie ein Kastell, einen riesigen Park für höfische Feste. Deshalb sollte die von Baumeister Knöffel erbaute Obere Orangerie beseitigt und die Hauptachse des Parks nach Osten verschoben werden. 1728 verbrannten die Pläne, außerdem ging das Geld aus. Als Unvollendete blieb das Schloss stehen. Bis 1756 feierte jedoch der Sohn Augusts des Starken noch zwölfmal das Fest des Polnischen Weißen Adlerordens in Großsedlitz. 1756 kamen die Preußen, zerschlugen die Wasserkünste, benutzten die Statuen als Zielscheibe. Napoleons Soldaten wüteten 60 Jahre später erneut in den Überbleibseln des Luftschlosses. 1871 ließ das Königshaus den verbliebenen hinfälligen Baukörper abreißen.

Taktik mit dem Weißen Adlerorden ging auf

Nach 1872 entsann sich König Johann des Geländes, ließ ein zweigeschossiges neues Gebäude an der Stelle des ursprünglichen Ostflügels bauen und nannte es Friedrichschlösschen. Die alte Eleganz des Parks wurde wiederbelebt. Großsedlitz ist ein Park der Treppen, Rampen, Fontänen und Kaskaden. Die schönste Treppenanlage, die „Stille Musik“, gegenüber der unteren Orangerie geht vermutlich auf Pöppelmann zurück. Heute noch sind 64 Sandsteinfiguren zu bewundern, ein großer Teil davon stammt vom Hofbildhauer Johann Christian Kirchner. Die 18 Hektar barocke Gartenkunst verschönern 300 Kübelpflanzen, 145 Bitterorangen, die größte Sammlung derartiger Früchte im deutschsprachigen Raum.

Die Taktik mit dem Weißen Adlerorden ging übrigens auf. 1709 besiegte Zar Peter I. von Russland in der Schlacht von Poltawa die Schweden. Der sächsische Kurfürst bekam die polnische Krone zurück. Den Orden verliehen er und seine Nachfolger fleißig weiter. Zwei der schönsten Exemplare bewahrte jahrelang das Grüne Gewölbe auf. Im November 2019 ist der Schmuck aus dem Museum gestohlen worden. Eine Tragödie, die die Sachsen sauer macht – genau wie die Riesenzitrone. Die könnte als Orden für all jene dienen, die nicht für genug Sicherheit gesorgt haben.

Der Barockgarten Großsedlitz in Heidenau, Parkstr. 85, ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.                                            

Bisher in der Serie "Starker August" erschienen:

  • Sachsen im Vollrausch
    Für den Kurfürst war Wein Lebensmittel. Um den Suff zu feiern, etablierte er das Winzerfest in der Hoflößnitz. 

  • Löwenmilch für das Adelskind
    Alles nur Legenden? Im Schloss Moritzburg erzählt eine Ausstellung vom Mythos Augusts des Starken.