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Reinicke kehrt an seinen Schreibtisch zurück

Urteil. Die Stadt Gröditz verlor gestern den Arbeitsrechts-Prozess gegen ihren entlassenen Chef des Bauamtes.

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Von Manfred Müller

Als Richterin Katrin Vetter gestern Nachmittag in Riesa das Urteil verkündete, waren der Gröditzer Bürgermeister Andreas Bölke und sein Anwalt schon nach Hause gegangen. Zu klar hatte die Juristin in der einstündigen Verhandlung durchblicken lassen, dass es bei der Kündigung von Bauamtsleiter Jochen Reinicke (die SZ berichtete) nicht nach Recht und Gesetz zuging.

Reinicke war im Februar per Stadtratsbeschluss aus dem Rathaus entfernt worden. Hauptvorwurf: Er habe einer Sitzung des technischen Ausschusses, bei der es um die Finanzierung des neuen Vereinshauses ging, öffentlich die Kompetenz der Kämmerin in Zweifel gezogen. In der Tat hatte Jochen Reinicke nachzuweisen versucht, dass der städtische Haushalt die 500 000 Euro Eigenmittel für den Bau eines modernen Sportlerheimes hergibt. Zwei Wochen später forderte ein Stadtrats-Zweckbündnis aus CDU und PDS seinen Kopf und setzte im zweiten Anlauf schließlich seine Kündigung durch.

Das Argument, Reinicke hätte in der öffentlichen Sitzung seiner Amtsleiter-Kollegin nicht widersprechen dürfen, wurde in der Verhandlung regelrecht vom Tisch gefegt. Richterin Vetter: In einer Demokratie müsse die sachliche Auseinandersetzung zwischen Verwaltungs-Mitarbeitern möglich sein – auch wenn dabei Publikum anwesend ist. Damit brach das Kündigungs-Konstrukt in sich zusammen. Denn der Rest der angeführten Entlassungsgründe lag entweder schon mehr als zwei Jahre zurück oder war nicht konkret begründbar. Auch den Vorwurf, er habe Rathaus-Mitarbeiter unkollegial behandelt, ließ das Gericht nicht gelten. „Mein Verhältnis zu den Mitarbeitern ist nicht gestört“ versicherte Jochen Reinicke nach der Urteilsverkündung. Sicher gebe es in einer Verwaltung Auseinandersetzungen, aber um sachliche Dinge. Diskriminiert habe er jedenfalls niemanden.

Reinicke muss nun noch einige Wochen abwarten bis das Urteil Rechtskraft erlangt. Dann dürfte seiner Rückkehr ins Bauamt nichts mehr im Wege stehen.

Völlig anders argumentiert

„Es hat mich schon überrascht, dass die Richterin völlig anders argumentierte als beim Gütetermin im März“, erklärte sein Kontrahent Andreas Bölke gestern Abend am Telefon. Er habe fest mit einem weiteren Verhandlungstermin gerechnet. „Ich werde mich zunächst noch einmal mit unserem Anwalt und dann mit dem Stadtrat beraten.“ Die Chancen, gegen das Urteil erfolgreich in Berufung zu gehen, stehen für die Stadt nicht besonders günstig. Nach dem Zerfall ihrer Entlassungs-Argumentation dürften sich schwerlich neue überzeugende Gründe für eine Kündigung finden.

In der Sache hat der Gröditzer Stadtrat Jochen Reinicke längst rehabilitiert: Am Montag gab er endgültig grünes Licht für die Finanzierung des Vereinshauses. Damit bestätigte er genau jene Einwände gegen den Haushaltplan-Entwurf vom Januar, die Reinicke zwei Wochen später den Kopf kosteten.