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Wird 2020 ein Rekordjahr für die Störche?

In der Region Riesa und Großenhain nisten so viele der Tiere wie seit Jahrzehnten nicht. Warum, darüber rätseln auch die Experten.

Von Stefan Lehmann & Manfred Müller
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So sah es im Sommer 2019 in einem Storchenhorst in Strehla aus. Die Chancen auf ein gutes Jahr für die Vögel stehen gut.
So sah es im Sommer 2019 in einem Storchenhorst in Strehla aus. Die Chancen auf ein gutes Jahr für die Vögel stehen gut. © Sebastian Schultz

Riesa/Großenhain. So richtig konnte es Olaf Gambke anfangs selbst nicht glauben, sagt er. "Ich habe dreimal gezählt", sagt der Riesaer Storchenbeauftragte. Stolze 29 Brutpaare hat er bisher im Altkreis Riesa gezählt. Seit Mitte der 90er Jahre ist Gambke ehrenamtlich für die Störche unterwegs, aber so viele besetzte Horste hat er in dieser Zeit noch nie gezählt. "Eine gewisse Begeisterung ist nicht zu leugnen", sagt er süffisant. 

Von den Horsten, die die Storchenbetreuer im Landkreis Meißen vorbereiten, bleiben in der Regel immer einige unbesetzt. Es gibt aus Sicht der Weißstörche attraktive Standorte und Ladenhüter, wie sie Olaf Gambke nennt. 2020 dagegen ist fast jeder der 32 vorbereiteten Horste besetzt.

 "Nur der Südraum in Riesa ist noch etwas schwach auf der Brust." Das Prausitzer Paar sei jetzt etwa nach Mehltheuer umgezogen. Dafür seien einige andere Nester besetzt, die schon seit Jahren leer waren. Gambke zählt auf: Peritz, Forberge, Gohlis, sogar Nieska. "Das ist schon trockener Randbereich der Heide."

Erstes Brutpaar seit 15 Jahren

Freude über einen guten Start in die Storchensaison gibt es auch rund um Großenhain. In der Röderaue sieht es mit der Horstbelegung ziemlich gut aus. "Sogar in Zabeltitz steht wieder ein Storchenpaar auf dem Nest", sagt Naturschützer Eyk Terpe. 

"Dort hat schon seit 15 Jahren keiner mehr gebrütet." Terpe gehört wie Olaf Gambke zu der kleinen ehrenamtlichen Truppe, die in der kalten Jahreszeit die Nester reinigt und für die neue Brutsaison vorbereitet. "An allen Standorten, die wir betreuen, sind auch Störche da", erklärt er.

Ornithologe Olaf Gambke Ende Juni 2019 bei der Storchenberingung in Strehla. Seit 1994 ist er ehrenamtlicher Storchenbeauftragter im Altkreis Riesa.
Ornithologe Olaf Gambke Ende Juni 2019 bei der Storchenberingung in Strehla. Seit 1994 ist er ehrenamtlicher Storchenbeauftragter im Altkreis Riesa. © Sebastian Schultz

Eine Erklärung für den guten Storchen-Start haben die Naturschützer nicht. Am Wetter kann es kaum liegen. "Es war eigentlich so was von trocken im April", sagt Olaf Gambke. Er habe aber das Gefühl, dass auf schlechte Brutjahre oft gute folgen. "2019 war bei mir so ein schlechtes Jahr." Im Schnitt anderthalb Jungstörche pro Horst zählte er da. Normal wäre ein Schnitt von 1,9. 

Die besetzten Nester sagen allerdings noch nichts darüber aus, ob es 2020 wirklich besser wird. Beispiel Großenhain: Von 40 Paaren brüteten nur 29 erfolgreich. Bei den anderen wurde entweder schon das Gelege zerstört oder die Jungen kamen nicht durch. Vier Paare schritten überhaupt nicht zur Brut.

 "Das ergab im Schnitt nur 1,67 Junge pro Paar", sagt der Treugeböhlaer Ornithologe Peter Reuße. Wenn man davon ausgeht, dass etliche davon den langen und gefährlichen Zug nach Afrika und zurück nicht überleben, reiche eine solche Nachwuchsquote nicht aus, um die Bestandszahlen langfristig zu sichern.

Blick auf das Storchennest am Autohaus Hercher in Riesa. In der Elbestadt haben sich drei Paare niedergelassen.
Blick auf das Storchennest am Autohaus Hercher in Riesa. In der Elbestadt haben sich drei Paare niedergelassen. © Sebastian Schultz

Nachzügler gefährden den Bruterfolg

Noch warten die Storchenbetreuer auch auf den einen oder anderen Nachzügler. Die führen oft zu Kämpfen am Nest - und Zerstörung der Eier. "Es gibt selten Jahre, in denen gar nichts passiert", sagt Olaf Gambke.

 An der Esse des Hercher-Autohauses in Riesa war es beispielsweise am Osterwochenende soweit. "Dort hat sich offenbar das angestammte Paar durchgesetzt." Auch an der Wäscherei und in der alten Stadtgärtnerei haben sich Störche niedergelassen.

Auch wenn die Nachzügler da sind, ist noch nicht gesagt, dass auf den Rekordstart auch das Rekord-Brutergebnis folgt. "Wie der Bruterfolg wird, das ist unwägbar." Das gehe bei der Nahrungssituation los und beim Wetter weiter. Ab Juni sollte es besser nicht mehr zu kühl und feucht sein, das wäre nicht gut für die geschlüpften Störche, sie würden sich unterkühlen. 

Olaf Gambke gibt sich trotzdem optimistisch: "Je mehr Paare im Spiel sind, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass auch bei den Jungen Breite da ist." Aber abgerechnet wird erst Anfang Juli. 

Selbst nach der Beringung kommen noch Jungstörche ums Leben, etwa bei Verkehrsunfällen nach dem ersten Flugversuch. "Das ist dann die letzte Aufgabe für den Storchenbetreuer - und stimmt einen schon traurig."  

Verein sucht Standorte für Nester

Deshalb freuen sich Storchenschützer in der Region nach wie vor über jedes Nest, aus dem erfolgreiche Bruten vermeldet werden können. Im Thiendorfer Ortsteil Würschnitz etwa gab es 2019 nach einer langjährigen Durststrecke erstmals wieder Nachwuchs. Und auch dieses Jahr ist dort wieder ein Storchenpaar zugange.

In Brößnitz, unmittelbar an der sächsisch-brandenburgischen Landesgrenze, ist durch Privatinitiative ein neues Storchennest hinzugekommen. Der Konstrukteur Burkhard Schurig hat es im März auf einem alten Strommast in seinem Garten errichtet. Unterstützt wurde er dabei von Mitgliedern des Vereins "Sächsisch-Brandenburger Höhenzug".

 "Wir sind nach wie vor auf der Suche nach neuen Standorten für Storchennester", sagt Vereinssprecher Sven Wiedemann-Schulze. "Wenn sich ein Grundstückseigentümer bereiterklärt, kümmern wir uns darum."

In einer früheren Version des Beitrags war vom "ehemaligen Autohaus Hercher die Rede". Hercher ist allerdings der aktuelle Name für das ehemalige Autohaus "Gute Fahrt" in Riesa. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.

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